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Der Stammgast

Der Stammgast

Titel: Der Stammgast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Tänzerinnen nur zwei Gäste saßen.
    Jetzt war Nouchi selbst Gast. Als ihr die Weinkarte gebracht wurde, schob sie sie beiseite und sah den Kellner an.
    »Bist du Ungar?« fragte sie.
    Dann unterhielt sie sich auf ungarisch mit ihm, verhandelte über Preise und bestellte schließlich einen offenen Wein, der nur um die vierzig Francs kostete.
    Jonsac, an eine Begleiterin noch nicht gewöhnt, wirkte ziemlich täppisch und schien immer wieder über das Mädchen zu staunen.
    Was war dann noch gewesen? Nichts mehr. Der Bildhauer hatte auch im › Tabarin‹ Haschisch geraucht, er hatte es in den Tabak gekrümelt, aus dem er seine Zigaretten rollte. Am Schluß war sein Blick leer gewesen, und es war ihm nichts Besseres eingefallen, als einen Spaziergang auf dem Friedhof von Eyüp vorzuschlagen.
    Das Nachtlokal lief nicht. Nouchi war nicht entgangen, wie unlustig der Besitzer und wie resigniert die Frauen waren, die, weil sie schon nicht mehr mit Gästen rechneten, an einem Tisch zusammensaßen. Die Tischtücher waren fleckig. Als das Mädchen Obst bestellte, mußte man erst welches besorgen.
    Irgendwann gähnte sie, und man ging …
    Das war alles gewesen …
     
    »Nouchi …«
    Keine Antwort. Im Zimmer des › Pera Palas‹ zog Nouchi sich aus. Sie hatten kein Licht angezündet, weil in den Fensterscheiben schon das trübe Weiß des Morgenlichts schimmerte. An ein Möbel gelehnt, sah Jonsac seiner Gefährtin zu, wie sie ihr Kleid über den Kopf streifte.
    »Was ist?« fragte sie ungehalten.
    »Ich wollte dich fragen …, wie du dir es eigentlich denkst.«
    »Und du?«
    Er wußte keine Antwort darauf. Und als sie sich auf die Bettkante setzte, um die Strümpfe auszuziehen, fragte er sich, ob nun er es gewesen war, der sie mitgenommen, oder ob im Gegenteil nicht sie ihn zum Anhängsel gemacht hatte.
    Wie war es eigentlich dazu gekommen? Er konnte es schon nicht mehr sagen. Warum befanden sie sich beide hier in diesem gemeinsamen Zimmer, wo doch keinerlei Bindung zwischen ihnen bestand?
    Seine Freunde hatten ihn gefragt, ob Nouchi seine Mätresse sei, und er hatte ja gesagt. Doch er begann zu ahnen, daß dies vielleicht nie wahr sein würde.
    »Liebst du mich nicht?«
    »Was meinst du damit? Würdest du dich kurz umdrehen, bitte?«
    Er gehorchte, und als sie ihm wieder erlaubte zu schauen, trug sie einen Schlafanzug, dessen Hose ihre Schenkel und Hüften noch schmächtiger aussehen ließ.
    »Wenn du mich loswerden willst«, sagte sie, »brauchst du es nur zu sagen. Ich finde mich schon zurecht.«
    Sie waren beide gleichermaßen müde, und von der Müdigkeit hatten sie dasselbe flaue Gefühl in Brust und Gliedern wie nach übermäßigem Alkoholgenuß. Nouchi legte sich ins Bett und kuschelte den Kopf ins Kissen.
    »Ich wollte dir nicht wehtun, als ich mich über deine Freunde äußerte. Aber sie sind wirklich nicht interessant. Wer hat im › Tabarin‹ bezahlt?«
    »Ich.«
    »Siehst du! Und für das Haschisch hast du auch Geld gegeben!«
    »Müfti Bey hat mitbezahlt.«
    Sie schwieg. Er unterließ einen neuen Versuch, sich ihr zu nähern, weil er wußte, wie sie dann sofort reagieren würde.
    »Hör zu, Nouchi …«
    »Ich höre zu.«
    »Du kannst dir sicher selbst denken, daß ich nicht mit dir zusammenleben kann, ohne …«
    »Sei still!«
    Ihr Ton war gelangweilt.
    »Wenn du das Thema noch einmal anschneidest, ist es aus zwischen uns. Verstehst du denn nicht? Mich ekelt vor den Männern, oder zumindest vor …«
    Sie stützte einen Ellbogen auf das Kissen auf und legte das Kinn in die Hand.
    »Meinetwegen kannst du gern zu anderen Frauen gehen, wenn es dich ankommt …«
    Jonsac hatte immer noch das Monokel auf, die tadellose Bügelfalte an seiner Hose und die weißen Gamaschen verliehen ihm das Aussehen eines selbstsicheren feinen Herrn. Doch Nouchi ließ sich nichts vormachen. Hatte sie sich jemals etwas vormachen lassen? Sie sah ihn anerkennend an, mit einer Spur Herablassung im Blick:
    »Du siehst gut aus!« sagte sie wie zu sich selbst.
    Dann wurde sie plötzlich ernst, als würde sie zur Sache kommen:
    »Was machst du eigentlich in der Botschaft?«
    Sie sah ihn unsicher werden, fast erröten.
    »Eines Tages werde ich es so oder so erfahren!«
    »Ich leiste bestimmte Dienste.«
    »Kleinere! … Was kriegst du dafür?«
    »Tausend Francs im Monat.«
    Er hatte lügen und eine beeindruckende Zahl nennen wollen, doch die Wahrheit war ihm regelrecht entschlüpft.
    »Ist das alles?«
    »Ich habe andere Einkünfte

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