Der Staubozean
Käpt'n, meine ich. Es hat gesagt, es müsse ihn finden, ehe die Haie all sein Blut rausfressen. Genau das hat es gesagt: ›All sein Blut rausfressen‹. Mr. Flack hat wirklich versucht, es aufzuhalten.« Meggle blickte fort.
»Wie lange ist sie schon weg?«
»Drei … Stunden.«
»Dann können wir genausogut heimwärts segeln«, sagte ich. »Wir können genausogut heimwärts segeln. Sie kommt nicht zurück.«
»Vielleicht doch, Smutje. Mr. Flack hat ihm Verbände angelegt und die Blutung gestoppt. Alles in Ordnung, Smutje? Ihre Augen sind rot wie Feuer.«
Ich konnte nichts sagen. Ich winkte ihn fort, als ich in den Suppenkessel schaute. Meggle zog seine Maske über und ging die Treppe hinauf an Deck. Salzige Tränen fielen in meine Suppe und gaben meiner Mahlzeit einen bitteren Beigeschmack. Das war ihre letzte Tat der Treue zu denen, die ihr weh taten, eine letzte fehlgeleitete Tat scheinbarer Menschlichkeit. Sie muß den Kapitän gefunden haben, denn sie kehrte nie zurück.
16
Die Fahrt ist zu Ende
M EINE G ENESUNG SCHRITT SCHNELL VORAN . Nach dem ersten Tag hörte das Husten auf, und mein Gehörsinn war nicht beeinträchtigt, obwohl meine Ohren geblutet hatten. Auf den Handflächen und Schienbeinen würde ich Narben zurückbehalten, aber nur so lange, bis ich zu einem kosmetischen Chirurgen auf einem anderen Planeten kam. Die anderen Narben würden nicht so schnell verheilen, sie würden bleiben, bis der Lauf der Zeit meine Persönlichkeit abtrug.
Als ich Desperandums Kajüte durchwühlte, entdeckte ich, daß er mehr Geld besessen hatte, als auch nur einer von uns vermutet hatte. Zum Glück hielt eine Art Aberglauben den ersten Maat Flack davon ab, in der Kajüte des Toten zu schlafen. Vielleicht hatte er immer noch Schuldgefühle wegen Desperandums Notizbüchern.
Wir hatten alle Notizbücher Desperandums über Bord geworfen. Flack protestierte halbherzig, als ich ihm erklärte, daß ihre Vernichtung der letzte Wunsch des Kapitäns gewesen sei. Als ich auf meinem Krankenbett lag, hatte ich eine detaillierte und ausgeklügelte Lüge über unsere U-Boot-Fahrt ausgearbeitet: wie unsere Navigation uns im Stich gelassen hatte, wie wir in einer Schlammschicht unterhalb der Oberfläche steckengeblieben waren; die bitteren Selbstvorwürfe des Kapitäns und sein Verlangen, daß ich, falls ich entkommen sollte, die Beweise seiner Torheit vernichtete; die Zerstörung unseres Schiffs; meine Rettung. Meine Kunstfertigkeit war an die Mannschaft verschwendet; sie akzeptierten die Erklärung ohne jede Begeisterung, ohne auch nur das geringste Interesse.
Ich war sehr traurig, ebenso traurig wie in jenen Momenten, als ich die Notizbücher achtern versinken sah und ihre engbeschriebenen Seiten von der leichten Brise umgeblättert wurden. Ich hatte ihnen noch nachgeschaut, als die Matronen sich schon längst wieder ihren Schnitzereien und anderen stummen Beschäftigungen zugewandt hatten.
Selbst mit der gequetschten, geschwollenen Hand war es nicht schwer, den Schrank aufzubrechen und das Geld zu nehmen. Um offen zu sein: Ich hätte es in jedem Fall getan; aber jetzt, da Dalusa gestorben war, wurde das Geld zu einer Art Totengeld. Ich konnte genug von der Summe abschöpfen, um mich von dem Planeten davonzumachen, und es blieb für die Löhne der Matrosen und sogar einen Bonus noch genug übrig.
Wir erreichten die Hochinsel in zwei Tagen. Desperandum hatte kein Testament hinterlassen, und Flack, jetzt Kapitän, verließ das Schiff, sobald wir angelegt hatten, um der Schiffahrtssynode die Lage zu schildern. Wahrscheinlich würden sie ihm das Schiff geben. Es war äußerst unwahrscheinlich, daß Desperandum Erben auf Nullaqua hatte, und die Regierung würde sich wohl keine sonderliche Mühe geben, solche Erben auf anderen Planeten aufzuspüren.
Ich wurde schnell ausgezahlt und erhielt einen großzügigen Bonus. Ich hatte gedacht, Flack würde stillschweigend einen großen Teil von dem restlichen Geld Desperandums einstecken, denn schließlich benötigte er Kapital. Aber ob es nun abergläubische Furcht war, Respekt vor Desperandums verschiedenem Geist oder einfach törichte Ehrlichkeit: Er zahlte uns alle großzügig aus.
Ich nahm den Aufzug zur Stadt hinauf. Als erstes kaufte ich mir neue Kleidung. Meine zerfetzte, staubabweisende Walfängertracht wurde ich in der Recyclinganlage des Schneiders los. Dann holte ich die Sachen ab, die ich in einem Lager hinterlegt hatte. Mit Ringen an den Fingern und nachdem ich
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