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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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gibt es immer Tapetentüren. Und was das hier angeht«, und sie wies dabei auf das Bett, »alle Spukgeschichten sind immer gerad in Himmelbetten passiert; ich habe noch nie gehört, daß Gespenster an eine Birkenmaserbettstelle herangetreten wären. Und hast du nicht unten den mistle-toe gesehn? Mistelbusch ist auch noch so Überbleibsel aus heidnischer Zeit her, bei den alten Deutschen gewiß und bei den Wenden wohl auch, für den Fall, daß die Stechlins wirkliche Wenden sind. Wenn ich Tante Adelheid ansehe, glaub’ ich es beinah. Und wie sie von den Hühnern sprach und den Eiern. Alles so wendisch. Ich glaube ja nicht eigentlich an Gespenster, wiewohl ich auch nicht ganz dagegen bin, aber wie dem auch sein möge, wenn ich mir denke, Tante Adelheid erschiene mir hier und brächte mir eine Erdbeere, die die Schnecken schon angeknabbert haben, so wäre das mein Tod.«
    Armgard lachte.
    »Ja, du lachst, aber hast du denn die Augen von ihr gesehn? Und hast du ihre Stimme gehört? Und die Stimme, wie du doch weißt, ist die Seele.«
    »Gewiß. Aber, Seele oder nicht, sie kann dir doch nichts tun mit ihrer Stimme und dir auch nicht erscheinen. Und wenn sie trotzdem kommt, nun, so rufst du mich.«
    »Am liebsten wär’ es mir, du bliebst gleich bei mir.«
    »Aber Melusine…«
    »Nun gut, nun gut. Ich sehe wohl ein, daß das nicht gut geht. Aber was anders! Ich habe da vorhin eine Bibel oder vielleicht auch bloß ein Gesangbuch liegen sehn, da auf dem Brettchen, wo die kleine Puppe steht. Beiläufig auch was Sonderbares, diese Puppe. Bitte, nimm die Bibel von der Etagere fort und lege sie mir hier auf den Nachttisch. Und das Licht laß brennen. Und wenn du im Bett liegst, sprich immerzu, bis ich einschlafe.«

Achtundzwanzigstes Kapitel
    Am andern Morgen traf man sich beim Frühstück. Es war ziemlich spät geworden, ohne daß Dubslav, wie das sonst wohl auf dem Lande Gewohnheit ist, ungeduldig geworden wäre. Nicht dasselbe ließ sich von Tante Adelheid sagen. »Ich finde das lange Wartenlassen nicht gerade passend, am wenigsten Personen gegenüber, denen man Respekt bezeigen will. Oder geh’ ich vielleicht zu weit, wenn ich hier von Respektbezeigung spreche?« So hatte sich Adelheid zu Dubslav geäußert. Als nun aber die Barbyschen Damen wirklich erschienen, bezwang sich die Domina und stellte all die Fragen, die man an solchem Begrüßungsmorgen zu stellen pflegt. In aller Unbefangenheit antworteten die Schwestern, am unbefangensten Melusine, die bei der Gelegenheit dem alten Dubslav erzählte, daß sie nicht umhin gekonnt hätte, sich die Bibel an ihr Bett zu legen.
    »Und mit der Absicht, drin zu lesen?«
    »Beinah. Aber es wurde nichts daraus. Armgard plauderte so viel, freilich auf meinen Wunsch. Ich hörte von der Treppe her immer die Uhr schlagen und las dabei beständig das Wort ›Museum‹. Aber das war natürlich schon im Traum. Ich schlief schon ganz fest. Und heute früh bin ich wie der Fisch im Wasser.«
    Dubslav hätte dies gern bestätigt, dabei nach einem Spezialfisch suchend, der so recht zum Vergleich für Melusine gepaßt hätte. Die Blicke seiner Schwester aber, die zu fragen schienen: »Hast du gehört?«, ließen ihn wieder davon abstehn, und nachdem noch einiges über den großen Oberflur und seine Bilder und Schränke gesprochen worden war, wurde, genau wie vor einem Vierteljahr, wo Rex und Czako zu Besuch da waren, ein Programm verabredet, das dem damaligen sehr ähnlich sah: Aussichtsturm, See, Globsow; dann auf dem Rückwege die Kirche, vielleicht auch Krippenstapel. Und zuletzt das »Museum«. Aber manches davon war unsicher und hing vom Wetter ab. Nur den See wollte man unter allen Umständen sehn. Engelke wurde beauftragt, mit Plaids und Decken vorauszugehn und ein paar Leute zum Wegschaufeln des Schnees mitzunehmen, lediglich für den Fall, daß die Damen vielleicht Lust bezeigen sollten, die Sprudel- und Trichterstelle genauer zu studieren. »Und wenn wir auf unserm Hofe keine Leute haben, so geh ins Schulzenamt und bitte Rolf Krake, daß er aushilft.«
    Melusine, die dieser Befehlserteilung zugehört hatte, war überrascht, in einem märkischen Dorf dem Namen »Rolf Krake« zu begegnen, und erfuhr denn auch alsbald den Zusammenhang der Dinge. Sie war ganz enchantiert davon und sagte: »Das ist hübsch. Aller aufgesteifter Patriotismus ist mir ein Greuel, aber wenn er diese Formen annimmt und sich in Humor und selbst in Ironie kleidet, dann ist er das Beste, was man haben kann. Ein

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