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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Kellner, um die Bestellungen entgegenzunehmen. Es entstand dabei die herkömmliche Verlegenheitspause; niemand wußte was zu sagen, bis die Baronin auf den Stamm einer ihr gegenüberstehenden Ulme wies, drauf »Wiener Würstel« und daneben in noch dickeren Buchstaben das gefällige Wort »Löwenbräu« stand. In kürzester Frist erschien denn auch der Kellner wieder, und die Baronin hob ihr Seidel und ließ das Eierhäuschen und die Spree leben, zugleich versichernd, »daß man ein echtes Münchener überhaupt nur noch in Berlin tränke«. Der alte Berchtesgaden wollte jedoch nichts davon wissen und drang in seine Frau, lieber mehr nach links zu rücken, um den Sonnenuntergang besser beobachten zu können; »der sei freilich in Berlin ebenso gut wie woanders.« Die Baronin hielt aber aus und rührte sich nicht. »Was Sonnenuntergang! den seh’ ich jeden Abend. Ich sitze hier sehr gut und freue mich schon auf die Lichter.«
    Und nicht lange mehr, so waren diese Lichter auch wirklich da. Nicht nur das ganze Lokal erhellte sich, sondern auch auf dem drüben am andern Ufer sich hinziehenden Eisenbahndamme zeigten sich allmählich die verschiedenfarbigen Signale, während mitten auf der Spree, wo Schleppdampfer die Kähne zogen, ein verblaktes Rot aus den Kajütenfenstern hervorglühte. Dabei wurde es kühl, und die Damen wickelten sich in ihre Plaids und Mäntel.
    Auch die Herren fröstelten ein wenig, und so trat denn der ersichtlich etwas planende Woldemar nach kurzem Aufundabschreiten an das in der Nähe befindliche Büfett heran, um da zur Herstellung einer besseren Innentemperatur das Nötige zu veranlassen. Und siehe da, nicht lange mehr, so stand auch schon ein großes Tablett mit Gläsern und Flaschen vor ihnen und dazwischen ein Deckelkrug, aus dem, als man den Deckel aufklappte, der heiße Wrasen emporschlug. Die Baronin, in solchen Dingen die Scharfblickendste, war sofort orientiert und sagte: »Lieber Stechlin, ich beglückwünsche Sie. Das war eine große Idee.«
    »Ja, meine Damen, ich glaubte, daß etwas geschehen müsse, sonst haben wir morgen samt und sonders einen akuten Rheumatismus. Und zurück müssen wir doch auch. Auf dem Schiffe, wo solche Hilfsmittel, glaub’ ich, fehlen, sind wir allen Unbilden der Elemente preisgegeben.«
    »Und Sie konnten wirklich nicht besser wählen«, unterbrach Melusine. »Schwedischer Punsch, für den ich ein liking habe. Wie für Schweden überhaupt. Da Doktor Wrschowitz nicht da ist, können wir uns ungestraft einem gewissen Maß von Skandinavismus überlassen.«
    »Am liebsten ohne alles Maß«, sagte Woldemar, »so skandinavisch bin ich. Ich ziehe die Skandinaven den sonst ›Meistbegünstigten‹ unter den Nationen immer noch vor. Alle Länder erweitern übrigens ihre Spezialgebiete. Früher hatte Schweden nur zweierlei: Mut und Eisen, von denen man sagen muß, daß sie gut zusammenpassen. Dann kamen die ›Säkerhets Tändstickors‹ und nun haben wir den schwedischen Punsch, den ich in diesem Augenblick unbedingt am höchsten stelle. Ihr Wohl, meine Damen.«
    »Und das Ihre«, sagte Melusine, »denn Sie sind doch der Schöpfer dieses glücklichen Moments. Aber wissen Sie, lieber Stechlin, daß ich in Ihrer Aufzählung schwedischer Herrlichkeiten etwas vermißt habe. Die Schweden haben noch eins - oder hatten es wenigstens. Und das war die schwedische Nachtigall.«
    »Ja, die hab’ ich vergessen. Es fällt vor meine Zeit.«
    »Ich müßte«, lachte die Gräfin, »Vielleicht auch sagen: es fällt vor meine Zeit. Aber ich darf doch andrerseits nicht verschweigen, die Lind noch leibhaftig gekannt zu haben. Freilich nicht mehr so eigentlich als schwedische Nachtigall. Und überhaupt unter anderm Namen.«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte Woldemar, »sie hatte sich verheiratet. Wie hieß sie doch?«
    »Goldschmidt - ein Name, den man schon um ›Goldschmieds Töchterlein‹ willen gelten lassen kann. Aber an Jenny Lind reicht er allerdings nicht heran.«
    »Gewiß nicht. Und Sie sagten, Frau Gräfin, Sie hätten sie noch persönlich gekannt?«
    »Ja, gekannt und auch gehört. Sie sang damals, wenn auch nicht mehr öffentlich, so doch immer noch in ihrem häuslichen Salon. Diese Bekanntschaft zählt zu meinen liebsten und stolzesten Erinnerungen. Ich war noch ein halbes Kind, aber trotzdem doch mit eingeladen, was mir allein schon etwas bedeutete. Dazu die Fahrt von Hyde-Park bis in die Villa hinaus. Ich weiß noch deutlich, ich trug ein weißes Kleid und einen

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