Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
Vom Netzwerk:
auf und ab und sahen, wenn sie vorn am Bugspriet eine kurze Rast machten, auf die vielen hundert Lichter, die sich von beiden Ufern her im Fluß spiegelten. Unten im Maschinenraum hörte man das Klappern und Stampfen, während die Schiffsschraube das Wasser nach hinten schleuderte, daß es in einem weißen Schaumstreifen dem Schiffe folgte. Sonst war alles still, so still, daß die Damen ihr Gespräch unterbrachen. »Armgard, du bist so schweigsam«, sagte Melusine, »finden Sie nicht auch, lieber Stechlin? Meine Schwester hat noch keine zehn Worte gesprochen.«
    »Ich glaube, Gräfin, wir lassen die Komtesse. Manchem kleidet es zu sprechen, und manchem kleidet es zu schweigen. Jedes Beisammensein braucht einen Schweiger.«
    »Ich werde Nutzen aus dieser Lehre ziehen.«
    »Ich glaub’ es nicht, Gräfin, und vor allem wünsch’ ich es nicht. Wer könnt’ es wünschen?«
    Sie drohte ihm mit dem Finger. Dann schwieg man wieder und sah auf die Landschaft, die da, wo der am Ufer hinlaufende Straßenzug breite Lücken aufwies, in tiefem Dunkel lag. Urplötzlich aber stieg gerad aus dem Dunkel heraus ein Lichtstreifen hoch in den Himmel und zerstob da, wobei rote und blaue Leuchtkugeln langsam zur Erde niederfielen.
    »Wie schön«, sagte Melusine. »Das ist mehr, als wir erwarten durften; Ende gut, alles gut - nun haben wir auch noch ein Feuerwerk. Wo mag es sein? Welche Dörfer liegen da hinüber? Sie sind ja so gut wie ein Generalstäbler, lieber Stechlin, Sie müssen es wissen. Ich vermute Friedrichsfelde. Reizendes Dorf und reizendes Schloß. Ich war einmal da; die Dame des Hauses ist eine Schwester der Frau von Hülsen. Ist es Friedrichsfelde?«
    »Vielleicht, gnädigste Gräfin. Aber doch nicht wahrscheinlich. Friedrichsfelde gehört nicht in die Reihe der Vororte, wo Feuerwerke sozusagen auf dem Programm stehen. Ich denke, wir lassen es im Ungewissen und freuen uns der Sache selbst. Sehen Sie, jetzt beginnt es erst recht eigentlich. Die Rakete, die wir da vorhin gesehen haben, das war nur Vorspiel. Jetzt haben wir erst das Stück. Es ist zu weit ab, sonst würden wir das Knattern hören und die Kanonenschläge. Wahrscheinlich ist es Sedan oder Düppel oder der Übergang nach Alsen. Übrigens ist die Pyrotechnik eine profunde Wissenschaft geworden.«
    »Und es soll auch Personen geben, die ganz dafür leben und ihr Vermögen hinopfern wie früher die Holländer für die Tulpen. Tulpen wäre nun freilich nicht mein Geschmack. Aber Feuerwerk!«
    »Ja, unbedingt. Und nur schade, daß alle die, die damit zu tun haben, über kurz oder lang in die Luft fliegen.«
    »Das ist fatal. Aber es steigert andrerseits doch auch wieder den Reiz. Sonderbar, gefahrlose Berufe, solche, die sozusagen eine Zipfelmütze tragen, sind mir von jeher ein Greuel gewesen. Interesse hat doch immer nur das Vabanque: Torpedoboote, Tunnel unter dem Meere, Luftballons. Ich denke mir, das Nächste, was wir erleben, sind Luftschifferschlachten. Wenn dann so eine Gondel die andre entert. Ich kann mich in solche Vorstellungen geradezu verlieben.«
    »Ja, liebe Melusine, das seh’ ich«, unterbrach hier die Baronin. »Sie verlieben sich in solche Vorstellungen und vergessen darüber die Wirklichkeiten und sogar unser Programm. Ich muß angesichts dieser doch erst kommenden Luftschifferschlachten ganz ergebenst daran erinnern, daß für heute noch wer anders in der Luft schwebt, und zwar Pastor Lorenzen. Von dem sollte die Rede sein. Freilich, der ist kein Pyrotechniker.«
    »Nein«, lachte Woldemar, » das ist er nicht. Aber als einen Aeronauten kann ich ihn Ihnen beinahe vorstellen. Er ist so recht ein Excelsior-, ein Aufsteigemensch, einer aus der wirklichen Obersphäre, genau von daher, wo alles Hohe zu Haus ist, die Hoffnung und sogar die Liebe.«
    »Ja«, lachte die Baronin, »die Hoffnung und sogar die Liebe! Wo bleibt aber das Dritte? Da müssen S’ zu uns kommen. Wir haben noch das Dritte; das heißt also, wir wissen auch, was wir glauben sollen.«
    »Ja, sollen .«
    »Sollen, gewiß. Sollen, das ist die Hauptsache. Wenn man weiß, was man soll, so find’t sich’s schon. Aber wo das Sollen fehlt, da fehlt auch das Wollen. Es ist halt a Glück, daß wir Rom haben und den Heiligen Vater.«
    »Ach«, sagte Melusine, »wer’s Ihnen glaubt, Baronin! Aber lassen wir so heikle Fragen und hören wir lieber von dem, den ich - ich bin beschämt darüber - in so wenig verbindlicher Weise vergessen konnte, von unserm Wundermann mit der

Weitere Kostenlose Bücher