Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
für diesen Menschen waren sehr schlecht – der See fing Feuer«, verkündete der Kapitän. »Dennoch habt Ihr ihn zu einem Paladin gemacht, einem Eurer mächtigsten Krieger. Nun nennt man ihn ›Paladin des Kummers‹. Typisch Mensch.« Der Kapitän schüttelte den Kopf.
König Tamaros schien plötzlich taub geworden zu sein, denn er reagierte überhaupt nicht.
»Orks kennen keinen Kummer«, fuhr der Kapitän lauter fort. »Kummer ist, wenn man sich zusammenrollt und hilflos winselt, wenn einem die Götter einen Schlag versetzen. Es ist besser, wieder auf die Beine zu kommen, trotzig die Fäuste zu ballen und weiterzumachen.«
Der Kapitän tippte sich auf die Brust. »Bei uns Orks wäre ein solch unseliger Krieger wie dieser Helmos aus dem Stamm verstoßen worden, um anderswo ein besseres Omen zu finden.«
König Tamaros war zu dem Schluss gekommen, dass höfliche Taubheit nicht helfen würde, und versuchte, das Thema zu wechseln. »Prinz Helmos hat Wurzeln«, bemerkte der König. »Seine Wurzeln liegen hier in seiner Heimat.«
»Wurzeln«, schnaubte der Kapitän. »Wir Orks haben keine Wurzeln. Ihr Menschen auch nicht. Bäume haben Wurzeln. Wir haben Füße, und wir haben sie aus einem bestimmten Grund – weil wir eine Wahl haben. Ein Baum hat keine Wahl. Er muss dort leben, wohin sein Samen gefallen ist. Wenn das Wachstum des Baums dadurch behindert wird, dass er im Schatten eines größeren, kräftigeren Baumes steht, kann er sich nicht bewegen. Wenn er nach Wasser dürstet, es aber nicht erreichen kann, ist er zum Untergang verurteilt. Er kann sich nicht ausreißen und davongehen, um einen besseren Ort zu finden. Aber ihr Menschen sprecht von ›Wurzeln‹, als wäre das etwas Gutes, etwas Schätzenswertes.
Das tun die Orks nicht, und auch nicht die Zwerge«, fuhr der Kapitän fort und grinste Dunner an. »Wenn das Leben dort, wo man sich gerade befindet, nicht angenehm ist, packt man zusammen und zieht weiter. Irgendwohin, wo die Sonne heller scheint und das Wasser freier fließt. Ihr braucht den Ort nur zu finden.«
»Mag sein«, erwiderte König Tamaros höflich. »Aber der Kronprinz hat eine Verantwortung gegenüber seinem Volk. Es ist ihm bestimmt, einmal König zu werden.«
»Waltran!«, sagte der Kapitän. »Soll ein anderer König werden. Soll einer König werden, der König werden will, wenn ihn das glücklich macht. Zum Beispiel dieser kleine Prinz hier.
Du
willst tatsächlich König werden, nicht wahr?«, fragte der Kapitän Dagnarus. »Für dich gibt es dabei keinen Kummer.«
Der Ork folgte nur seinen eigenen Gedanken. Er sprach das aus, was jedermann bereits wissen musste, aber seine Worte bedrückten alle im Saal. König Tamaros verzog das Gesicht und setzte eine strenge Miene auf. Das war jetzt weit genug gegangen.
»Prinz Dagnarus ist sich seiner Stellung als jüngerer Sohn wohl bewusst, Kapitän«, tadelte der König. »Er weiß, dass sein älterer Bruder eines Tages König sein wird, und er unterstützt seinen Bruder.«
Der kleine Prinz hatte den Kopf gesenkt und die Augen bescheiden niedergeschlagen, wie man es von jungen Menschenkindern erwartete. »Wirklich, Kapitän, ich möchte nicht König werden. Denn das würde bedeuten, dass ich meinem Bruder ein Unglück wünsche, und das wäre schrecklich. Die Götter würden mich für einen solchen Wunsch bestrafen.«
Aber der Kapitän ließ sich nicht hinters Licht führen. Die Menschen logen ununterbrochen – sie logen einander und, was noch schlimmer war, sich selbst an. Orks lügen nie. Was sie sagen, entspricht der Wahrheit, zumindest für diesen Augenblick. Wenn sich die Umstände verändern, kann sich eine neue Wahrheit entwickeln, und dann mag es so aussehen, als wäre die alte Wahrheit eine Lüge gewesen, aber die Orks kennen den Unterschied. Es ist nicht ihre Schuld, wenn andere das nicht tun.
Der Kapitän sah sich nun im Raum um, der keine Fenster hatte. Er konnte nicht nach draußen sehen, und allmählich fühlte er sich erdrückt. Die nächste Flut würde an diesem Abend kommen. Ein guter Zeitpunkt, um in See zu stechen. Er würde ihn ausnutzen.
»Dann gebt mir mein Stück von dem Stein«, erklärte der Kapitän. »Sagt mir, was ich damit tun soll, immer angenommen, dass ich mich entschließe, etwas damit zu tun und ihn nicht den Fischen vorzuwerfen, und ich mache mich auf den Weg. Wir werden mit der Abendflut auslaufen.«
Wieder verstörten seine Worte alle Anwesenden. Die Menschen waren entsetzt. Man konnte diesem
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