Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
dann das letzte von ihnen, Dagnarus' eigenes Leben.
Dagnarus sackte zu Boden und hockte auf allen vieren über den vier Teilen des Steins der Könige.
Er bäumte sich gequält auf und biss die Zähne zusammen, aber er schrie nicht. Er verzog nur das Gesicht, packte den Dolch und riss sich die Waffe mit einem Keuchen aus der Brust.
Blut floss aus der Wunde, lief über alle vier Teile des Steins der Könige. Dagnarus legte den Dolch mit zitternden Händen nieder. Er fing an, die Teile des Steins zusammenzusuchen, einen nach dem anderen.
»Mein Sohn.« Tamaros stellte sich neben seinen schaudernden, sterbenden Sohn. »Die Götter sind gnädig. Sie lieben ihre Kinder, und sie verstehen ihre Schwächen.«
»Wie du, Vater?« Dagnarus schlug nach dem Geist des alten Mannes und versuchte, ihn zu vertreiben. »Fleck!«, rief er, und Blut tröpfelte von seinen Lippen. »Fleck, komm her!«
Gareth kam zu ihm, beugte sich über ihn, blickte auf ihn nieder.
»Du hast mir das größte Geschenk der Götter versprochen«, sagte Dagnarus anklagend.
»Die Götter bieten es Euch an. Ihr müsst nur darum bitten, so wie ich es getan habe.«
Gareth kniete sich neben Dagnarus und sah seinem Prinzen in die Augen. »Das größte Geschenk der Götter ist Vergebung.«
Dagnarus hob den Blick zur Himmelskuppel. »Nein«, sagte er trotzig.
»Du
wirst für mich um Vergebung bitten. Denn ich habe – den Stein der Könige.«
Er packte die vier Teile des Steins in eine Hand und stach den von seinem eigenen Blut feuchten Dolch der Vrykyl in ihre Mitte.
Der Stein der Könige begann zu leuchten, zunächst schwach und kalt, dann wurde das Licht stärker, strahlender, leuchtete mit der schmerzhaften Helligkeit des Geistes der Götter. Das reine Feuer beleuchtete Dagnarus, sodass er einen Augenblick lang silbern zu glühen schien. Und dann verschlang ihn die Dunkelheit.
Niemand sagte etwas.
Die Paladine waren zu sehr von Ehrfurcht erfüllt, um ihren Gefühlen Worte verleihen zu können.
Rabe war zu erschüttert. Shakur war zu sehr damit beschäftigt, seine Lage zu begreifen.
Der Vrykyl hatte das Gespräch zwischen Dagnarus und K'let belauscht. Shakur wusste, dass Dagnarus ihn in die Leere verbannen wollte. Er hätte K'let vielleicht davon abhalten können, Dagnarus zu töten, aber er hatte es nicht getan. Er hatte erwartet, mit seinem Herrn in die Leere zu sinken, und war nun erstaunt, immer noch da zu sein.
Er wusste nicht, warum, außer vielleicht, weil die Leere ewig war.
Staunen wich der Freude. Der Dolch der Vrykyl war verschwunden. Shakur war geblieben. Er hatte das Blutmesser, das er aus seinem eigenen Knochen hergestellt hatte. Er konnte es weiterhin benutzen, konnte weiterhin Seelen stehlen, konnte seine Existenz fortsetzen, eine Existenz, die er hasste, aber die nun vielleicht erträglich werden würde.
»Denn jetzt habe ich keinen Herrn mehr«, sagte Shakur. »Niemanden, der mir Befehle erteilt und mich hierhin und dorthin schicken kann. Ich bin frei und kann gehen, wohin ich will, und tun, was mir in den Sinn kommt. Da draußen sind noch andere Vrykyl, die ebenso wie ich jetzt keinen Herrn mehr haben. Sie werden einen Anführer brauchen, und zu wem sollten sie aufblicken, nachdem ihr Herr weg ist, wenn nicht zu mir?«
Shakur hatte schon lange eigene Pläne geschmiedet, Pläne, welche er nun würde umsetzen können. Der Vrykyl war nicht so ehrgeizig wie Dagnarus. Shakur verspürte nicht den Wunsch, die Welt zu beherrschen. Er hatte andere, bescheidenere Ziele. Shakur glitt in die Leere, verschmolz mit dem Dunkel und verschwand, ehe die Paladine auf ihn aufmerksam wurden.
Die Paladine schauten in die Himmelskuppel und sahen nur eine hölzerne Decke, die mit Gips verputzt war, einen kleinen Raum mit einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl. Eine einzelne Kerze, die mit klarer Flamme brannte, stand auf dem Tisch. Die offene Tür führte in einen Flur hinaus. Der Kapitän zuckte mit den Schultern, drehte sich um, duckte sich und ging durch die Tür.
Wolfram setzte dazu an, ihr zu folgen, dann hielt er inne und sah sich nach Gilda um. Er konnte sie nirgendwo entdecken, und nun wusste er, dass er sie nie Wiedersehen würde, nicht bevor er sich wieder zu ihr gesellte, um mit dem Wolf über die Ebenen zu jagen. Aber sie würde immer bei ihm sein. Seufzend und mit einem Lächeln verließ er das Zimmer allein.
Rabe zog sich durch den dunklen Flur zurück und hoffte, mit niemandem reden zu müssen. Er konnte sich jedoch nicht
Weitere Kostenlose Bücher