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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Patrick schien keine Antwort zu erwarten. »Navigatio Sancti Brendani « , las er, »die Reise des Heiligen Brendan. Man hat mir oft von diesem Buch erzählt, aber ich habe es nie betrachten oder gar berühren dürfen. Wenn ich nur wüsste, warum die Brüder es versteckt hielten. Ich dachte, es steht in der Bibliothek eines großen Klosters. Oder handelt es sich um jenes geheimnisvolle zweite Buch, von dem sich manche Brüder hinter vorgehaltener Hand erzählen? Gibt es dieses zweite Buch wirklich?« Er sprach mehr zu sich selbst, während er vorsichtig die Seiten umblätterte.
    Hakon verstand weder alles, was der Mönch sagte, noch wusste er eine Antwort auf die Fragen. »Sieh dir die vorletzte Seite an«, forderte er ihn auf.
    Der Mönch blickte Hakon verwundert an, schlug dann vorsichtig die Seiten um und erstarrte beim Anblick des Mädchens. Er schien zu lesen, was unter dem Bild stand, und schloss für einen Augenblick beschämt die Augen.
    »Was ist?«, drängte Hakon. »Was bedeuten die Zeichen?«
    Bruder Patrick war so erschüttert, dass er den Nordmann nicht mehr beachtete. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Also hatte der heilige Brendan doch zwei Bücher angefertigt. Er musste vom Anblick der Frau so geblendet gewesen sein, dass er alle Vorsicht vergaß und seinen Gefühlen beim Schreiben freien Lauf ließ. Dazu noch dieses verführerische Bild, das keinen Zweifel darüber ließ, wie beeindruckt er von der Frau gewesen war. Nach der Fertigstellung des Buches war ihm wohl eingefallen, wie die höchsten Würdenträger der Kirche beim Anblick des Bildes und der Worte darunter reagieren würden, und er hatte ein zweites Buch ohne anstößige Passagen verfasst. Anscheinend hatte jemand das erste Buch entdeckt und in einem Kellergewölbe versteckt. Hätte Brendan es doch vernichtet, dachte Patrick, dann wäre es nicht diesem Nordmann in die Hände gefallen.
    »Was bedeuten die Zeichen?«, ließ Hakon nicht locker.
    »Warum willst du das wissen?«
    »Weil die Götter mich zu dem Bild geführt haben, damit ich diese Frau finde!«, antwortete Hakon aufgebracht. Er sprang auf, zog sein Schwert und hielt ihm die Klinge an den Hals. »Sag mir, was dort steht, oder du stirbst!«
    Der Mönch erschrak und rief: »Ja doch! Ich will es dir sagen!« Er atmete befreit auf, als Hakon sein Schwert zurückzog, und beugte sich über das Buch: »Niemals zuvor habe ich ein Mädchen von solcher Schönheit und Vollkommenheit gesehen. Gott möge mir verzeihen, wenn meine Gedanken in diesem Augenblick nicht so rein …« Die weiteren Zeilen waren ihm peinlich und er blickte auf. »Er sagt, dass sie sehr schön und … verführerisch ist.«
    »Wo hat er sie gesehen? Wo kann ich sie finden?«
    Bruder Patrick beugte sich erneut über das Buch, die Stirn mit Schweiß bedeckt, blätterte eine Seite zurück und zog zweifelnd die Augenbrauen hoch,
    »Wo?«, rief Hakon. »Wo ist sie?«
    »In terram repromissiones … in einem Land der Verheißung abseits der bekannten Küsten … er spricht von einem unbekannten Land …« Er blickte den Nordmann ungläubig an. »Aber das ist mehr als vierhundert Jahre her …«
    »Vierhundert Winter?«
    »Mehr als vierhundert Winter«, bestätigte Bruder Patrick. Er seufzte unterdrückt. »Wie willst du eine Frau finden, die vor so langer Zeit gelebt hat? Sie ist doch längst tot.«
    »Sie ist nicht tot!«, brauste Hakon auf. »Sie ist noch am Leben!« Er hieb mit dem Schwert wütend auf die Sitzbank und zerteilte sie mit einem Schlag.
    Der Mönch fiel zu Boden, kroch in panischer Angst von dem wütenden Nordmann weg und starrte ihn entsetzt an. Auf seiner Stirn stand Schweiß, seine Augen waren geweitet. Er zitterte wie Espenlaub im Wind.
    »Sie darf nicht tot sein, hörst du?«
    »Jaja … natürlich«, antwortete Bruder Patrick schnell. »Vielleicht schickt dich … äh, schicken dich die Götter ja zu einer Nachfahrin dieser Frau. Vielleicht sind alle Frauen in dieser Familie schön. Ich weiß es nicht, mein Sohn.«
    »Ich bin nicht dein Sohn.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Hakon steckte sein Schwert in die Schlinge zurück und zog den Mönch mit der anderen Hand vom Boden hoch. Er drückte den verängstigten Mann auf seinen Stuhl und deutete auf das Buch. »Lies, Pfaffe! Lies es vom ersten bis zum letzten Zeichen, und dann sage mir, wo ich die junge Frau finden kann.«
    »Ja … ja, das will ich tun.«
    »Ich brauche Bewegung«, fuhr Hakon fort. Er wirkte entschlossen. »Ich habe lange gelegen und

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