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Der Stein - Hohler, F: Stein

Der Stein - Hohler, F: Stein

Titel: Der Stein - Hohler, F: Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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das Kätzchen. Es hatte sich vor die Türschwelle gesetzt und blickte zu ihm hinauf. Einen Moment lang war er fassungslos. Dann schaute er sich um. Es war noch früh, er war allein. Er bückte sich, hob das Kätzchen auf und ging mit ihm zum Ende des Ganges. Dort öffnete er das Fenster und schaute hinunter. Katzen haben sieben Leben, dachte er und maß mit den Augen die Höhe bis zum Hof. Das Kätzchen miaute.
    »Du Lauskerl«, sagte er, schloss das Fenster, ging zurück zu seiner Tür und setzte es vor die Schwelle. Dann schloss er die Tür auf, und das Kätzchen spazierte hinein, noch bevor er selbst sein Büro betrat.
    Als er sich an sein Pult setzte, setzte sich die junge Katze neben seinen Bürostuhl und begann sich die Pfoten zu schlecken.
    Ihr Fell war grau und hellbraun getigert, unter dem Kopf hatte sie einen großen weißen Fleck, der sich bis zu
ihrer Schnauze fortsetzte; in ihrem Gesicht dominierte die braune Farbe, nur die Ohren waren grau, mit feinen hellbraunen Rändern.
    »Bald kommt Frau Ehrismann, dann kannst du zu ihr«, sagte der Präsident zum Kätzchen. Danach entnahm er der Mappe seine Agenda und das Dossier zur Krankenkassenfrage, über dem er gestern Nacht eingeschlafen war.
    Vor sich auf dem Schreibtisch sah er das Blatt mit dem heutigen Tagesablauf, das ihm Frau Ehrismann gestern Abend hingelegt hatte, und ein Blick darauf bestätigte ihm, dass, wie eigentlich immer, ein unerbittlicher Stundenplan bevorstand.
    Gleich um acht kam eine Delegation der Rüstungsindustrie, die mit ihm über die Bewilligungspraxis für Waffenexporte sprechen wollte. Der Termin war neu und ärgerlich, er vertrat dabei die Wirtschaftsministerin, die gestern Hals über Kopf in die Vereinigten Staaten geflogen war, um dort der größten Bank ihres Landes erneut die politische Rückendeckung zu geben, die sie gar nicht verdient hatte. Ihre Meinung zu den Fragen lag in einem Sichtmäppchen unter dem Tagesplan, sie hatte auf einer A4-Seite Platz. Ihr Departementschef würde auch dabei sein, der wusste Bescheid und sollte schon vorher zu einer kurzen Vorbesprechung kommen. Um neun wollte ihm die Kommission für Kinder- und Jugendfragen die Studie zur Jugendsexualität im Wandel vorstellen, ein Thema, von dem er überhaupt nichts wusste und eigentlich auch nichts wissen wollte. Darauf gab es bis zum Mittag Besprechungen
mit Direktoren seiner Abteilungen, von Suchtprävention über Lebensmittelkontrolle bis zu Pensionskassen, Briefing, Coaching, Wording, las er auf seinem Tagesblatt und fragte sich, ob eigentlich Englisch die Amtssprache sei. Zum Mittagessen traf er sich mit dem Protokollchef und dem schwedischen Botschafter, um den bevorstehenden Besuch des schwedischen Königspaares zu besprechen, und am Nachmittag war das große Hearing zu den Krankenkassenprämien angesagt, mit Vertretern der Kassen, der Ärzte und der Spitäler, dann warteten zwei Journalisten einer Sonntagszeitung auf ein großes Interview, und was noch bleiben würde, war für das vorgesehen, was er Signierstunde nannte, nämlich dem Unterschreiben amtlicher Dokumente und Briefe, doch der Abend war, als einziger dieser Woche, frei. Zwar wusste er, dass er zu Hause seine Jubiläumsansprache an die Verbände der Freiwilligenhilfe fertig schreiben musste, aber dennoch gab ihm das ein kleines Gefühl von Freiheit zurück, das er so oft vermisste, und er öffnete mit Schwung den Krankenkassenordner, um mit dessen Studium dort weiterzufahren, wo er gestern eingenickt war.
    Als Frau Ehrismann anklopfte, um einen guten Tag zu wünschen und ihn zu fragen, ob sie etwas für ihn tun könne, sagte er lächelnd, er habe einen Gast mitgebracht und er wäre froh, wenn sie sich um ihn kümmern würde. Seine Sekretärin war ebenso verwundert wie gerührt, als sie das Kätzchen sah, das immer noch neben dem Bürostuhl saß und schüttelte ungläubig den Kopf über die kleine Morgengeschichte des Präsidenten.

    Als sie jedoch hinter das Pult kam, um die junge Katze zu ergreifen, rannte diese unter dem Pult durch und sprang auf die Polster der Besuchersitzgruppe.
    »Moment«, sagte der Präsident, »lassen Sie mich das machen«, erhob sich und ging auf das Sofa zu, auf dem sich die kleine Katze inzwischen rekelte. Doch als er sie nehmen wollte, hüpfte sie hinunter und war sofort auf der andern Seite des Büros, kletterte an einem Vorhang hinauf und stand auf dem Fenstersims.
    »Kann ich helfen?« fragte der Departementschef, der nun unter der Türe stand.
    »Das

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