Der Steppenwolf
CecilBar zu gehen, und hatte nicht nur gegen mich selbst, sondern auch gegen Hermine Groll und Bitterkeit empfunden.
Mochte sie es gut und herzlich meinen, mochte sie ein wundervolles Wesen sein
— sie hätte mich doch damals lieber zugrunde gehen lassen sollen, statt mich in diese wirre, fremde, flirrende Spielwelt hinein und hinabzuziehen, wo ich doch immer ein Fremder bleiben würde und wo das Beste in mir verkam und Not litt!
Und so hatte ich traurig mein Licht gelöscht, traurig mein Schlafzimmer aufgesucht, traurig mit dem Entkleiden begonnen, da machte ein ungewohnter Duft mich stutzig, es roch leicht nach Parfüm, und umblickend sah ich in meinem Bett die schöne Maria liegen, lächelnd, etwas bange, mit großen blauen Augen.
«Maria!» sagte ich. Und mein erster Gedanke war, daß meine Hauswirtin mir kundigen würde, wenn sie das wüßte.
«Ich bin gekommen», sagte sie leise. «Sind Sie mir böse?»
«Nein, nein. Ich weiß, Hermine hat Ihnen den Schlüssel gegeben. Nun ja.»
«Oh, Sie sind böse darüber. Ich gehe wieder.»
«Nein, schöne Maria, bleiben Sie! Nur bin ich gerade heut abend sehr traurig, lustig sein kann ich heute nicht, das kann ich dann morgen vielleicht wieder.»
Ich hatte mich etwas zu ihr hinabgebeugt, da faßte sie meinen Kopf mit ihren beiden großen, festen Händen, zog ihn herab und küßte mich lange. Dann setzte ich mich zu ihr aufs Bett, hielt ihre Hand, bat sie, leise zu reden, da man uns nicht hören dürfe, und sah in ihr schönes, volles Gesicht hinab, das fremd und wunderbar wie eine große Blume da auf meinem Kissen lag. Langsam zog sie meine Hand an ihren Mund, zog sie unter die Decke und legte sie auf ihre warme, still atmende Brust.
«Du brauchst nicht lustig zu sein», sagte sie, «Hermin e hat mir schon gesagt, daß du Kummer hast. Das versteht ja jeder. Gefalle ich dir denn noch, du?
Neulich beim Tanzen warst du sehr verliebt.»
Ich küßte sie auf Augen, Mund, Hals und Brüste. Eben noch hatte ich an Hermine gedacht, bitter und mit Vorwürfen. Nun hielt ich ihr Geschenk in Händen und war dankbar. Die Liebkosungen Marias taten der wunderbaren 119
Musik nicht weh, die ich heut gehört hatte, sie waren ihr würdig und ihre Erfüllung. Langsam zog ich die Decke von der schönen Frau, bis ich mit meinen Küssen zu ihren Füßen gelangt war. Als ich mich zu ihr legte, lächelte ihr Blumengesicht mich allwissend und gütig an.
In dieser Nacht, an Marias Seite, schlief ich nicht lange, aber tief und gut wie ein Kind. Und zwischen den Schlafzeiten trank ich ihre schöne heitere Jugend und erfuhr im leisen Plaudern eine Menge wissenswerter Dinge über ihr und Herminens Leben. Ich hatte über diese Art von Wesen und Leben sehr wenig gewußt, nur beim Theater hatte ich früher gelegentlich ähnliche Existenzen, Frauen wie Männer, angetroffen, halb Künstler, halb Lebewelt. Jetzt erst sah ich ein wenig in diese merkwürdigen, diese seltsam unschuldigen, seltsam verdorbenen Leben hinein. Diese Mädchen, von Hause meist arm, zu klug und zu hübsch, um ihr ganzes Leben einzig auf irgendeinen schlecht bezahlten und freudlosen Broterwerb zu stellen, lebten alle bald von Gelegenheitsarbeit, bald von ihrer Anmut und Liebenswürdigkeit. Sie saßen zuweilen ein paar Monate an einer Schreibmaschine, waren zeitweise die Geliebten wohlhabender Lebemänner, bekamen Taschengelder und Geschenke, lebten zu Zeiten in Pelz, Auto und Grand Hotel, zu ändern Zeiten in Dachkammern und waren zur Ehe zwar unter Umständen durch ein hohes Angebot zu gewinnen, im ganzen aber keineswegs auf sie erpicht. Manche von ihnen waren in der Liebe ohne Begehrlichkeit und gaben ihre Gunst nur widerwillig und unter Feilschen um den höchsten Preis. Andre, und zu ihnen gehörte Maria, waren ungewöhnlich liebesbegabt und liebesbedürftig, die meisten auch in der Liebe mit beiden Geschlechtern erfahren; sie lebten einzig der Liebe wegen und hatten stets neben den offiziellen und zahlenden Freunden noch andre Liebesbeziehungen blühen.
Emsig und geschäftig, sorgenvoll und leichtsinnig, klug und doch besinnungslos lebten diese Schmetterlinge ihr ebenso kindliches wie raffiniertes Leben, unabhängig, nicht für jeden käuflich, vom Glück und guten Wetter das Ihre erwartend, ins Leben verliebt und doch viel weniger an ihm hängend als die Bürger, stets bereit, einem Märchenprinzen in sein Schloß zu folgen, stets mit halbem Bewußtsein eines schweren und traurigen Endes gewiß.
Maria lehrte mich —
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