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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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die hier den Dänen überlassen, Herr?»
    «Ich weiß nicht, wie lange wir uns halten können», gab ich zu bedenken.
    «Der Herr Æthelred wird eine Armee schicken», erwiderte Merewalh.
    «Das glaubt Ihr?»
    Beinahe musste er lächeln. «Oder vielleicht König Edward?»
    «Mag sein», sagte ich, «aber Eure Boten werden zwei oder drei Tage brauchen, bis sie in Wessex sind, und dort wird dann noch einmal zwei oder drei Tage lang beraten, und bis dahin sind wir tot.» Merewalh zuckte zusammen angesichts dieser grausamen Wahrheit, doch wenn nicht schon jetzt Unterstützung zu uns unterwegs war, dann waren wir wahrhaftig dem Tod geweiht. Die Festung war eine jämmerliche Anlage, ein Überbleibsel aus einem alten Krieg gegen die Waliser, die schon immer im westlichen Mercien auf Raubzug gingen. Der Festungsgraben hätte nicht einmal einen Krüppel aufgehalten, und die Palisade war so verrottet, dass die Balken mit einer Hand umgestoßen werden konnten. Die Sperre, die wir anlegten, war ebenso lächerlich, nichts weiter als eine mehr schlecht als recht angelegte Reihe aus Dachbalken, die vielleicht einen Mann zum Stolpern bringen, aber niemals einen entschlossenen Angriff aufhalten würde. Ich wusste, dass Merewalh recht hatte, dass es unsere Pflicht war, den Sæfern zu überqueren und weiter nach Süden zu reiten, bis wir einen Ort erreicht hatten, an dem sich eine Armee sammeln konnte, aber das zu tun, hätte bedeutet, all die Menschen aufzugeben, die in der großen Flussschleife Zuflucht gesucht hatten.
    Zudem waren die Dänen wahrscheinlich schon über den Fluss. Im Westen gab es Furten, und sie würden wohl versuchen, Scrobbesburh zu umzingeln und uns von der Verstärkung abzuschneiden. In Wahrheit, ging es mir durch den Kopf, bestand unsere größte Hoffnung darin, dass die Dänen vor allem ihren Vorstoß in Bewegung halten wollten und daher, statt im Kampf mit uns Männer zu verlieren, einfach weiter nach Süden ritten. Das war eine schwache und keineswegs überzeugende Hoffnung, und tief in dieser Nacht, kurz bevor die graue Morgendämmerung am Osthimmel aufzog, spürte ich die Verzweiflung der Todgeweihten. Die drei Nornen hatten mir keine Wahl gelassen, außer mein Banner aufzupflanzen und mit Schlangenhauch in der Hand zu sterben. Ich dachte an Stiorra, meine Tochter, und wünschte, sie noch ein einziges Mal sehen zu können, und dann kroch die graue Helligkeit heran, und mit ihr zog Nebel auf, und wieder hingen die Wolken niedrig am Himmel und brachten von Westen tröpfelnden Regen mit.
    Durch den Nebel sah ich die dänischen Banner. In der Mitte war Haestens Zeichen, der Schädel auf der langen Stange. Der Wind war zu schwach, um die Flaggen wehen zu lassen, und so konnte ich nicht sehen, ob sie Adler, Raben oder Bären zeigten. Ich zählte die Banner. Es waren mindestens dreißig, und der Nebel verbarg noch einige, und unter diesen feuchten Flaggen stellten die Dänen einen Schildwall auf.
    Wir hatten zwei Banner. Merewalh führte Æthelreds Flagge mit dem steigenden weißen Pferd, und er hatte sie über der Festung aufgezogen. Sie hing schlaff an ihrer langen Stange. Mein Banner mit dem Wolfskopf war bei den Männern, die in der Senke vor der Nordseite der Festung standen, und ich befahl Oswi, meinem Diener, einen jungen Baum zu schneiden, damit wir mein Banner hoch aufziehen und den Dänen zeigen konnten, mit wem sie es zu tun hatten. «Das ist eine Einladung», sagte Finan. Er stampfte mit den Füßen auf den durchnässten Boden. «Denk daran, dass die Engel gesagt haben, du würdest sterben. Sie wollen allesamt deinen Schädel an ihren Hausgiebel nageln.»
    «Ich werde mich nicht vor ihnen verstecken», sagte ich.
    Finan bekreuzigte sich und starrte mit düsterem Blick auf die feindlichen Ränge. «Wenigstens wird es schnell gehen», sagte er.
    Langsam hob sich der Nebel, doch der Nieselregen hielt an. Die Dänen hatten etwa eine halbe Meile vor uns zwischen zwei Wäldchen eine Linie gebildet. Die Linie, dicht an dicht mit bemalten Schilden gewappnet, füllte den Abstand zwischen den Bäumen aus, und ich hatte den Eindruck, dass sie sich in den Waldstücken fortsetzte. Merkwürdig, dachte ich, andererseits war nichts an diesem plötzlichen Krieg vorhersehbar. «Siebenhundert Mann?», riet ich.
    «So ungefähr», sagte Finan, «eine ganze Menge. Und im Wald sind noch mehr.»
    «Aber warum?»
    «Die Bastarde wollen vielleicht, dass wir sie angreifen», vermutete Finan. «Und dann nehmen sie uns von zwei

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