Der sterbende Stern
beleuchtet wurde. Eine Gruppe Leute erwartete sie. Sie beugten ihre Köpfe mit dem hellen Fell, den anliegenden Ohren und den goldenen Stirnreifen, die je nach Rang verschieden groß waren. Man murmelte ehrerbietig: »Tochter Skaiths, du bist zurückgekehrt.«
Vier Männer in schwarzen Gewändern hielten sich ein wenig abseits und senkten die Köpfe nicht. Sie sahen sofort die Fremden an. Dann warfen auch die Höflinge kalte und feindselige Blicke auf Stark und Gerrith. Stabträger waren sie offenbar gewohnt, da sie Gelmar kaum beachteten. Die Fremden schienen sie jedoch tief zu beunruhigen.
»Ich werde mit den Wahrsagern reden«, sagte Kell à Marg und winkte die Höflinge aus dem Weg. Die Schwarzgekleideten umringten Kell à Marg. Sie gingen zu fünft voraus und besprachen sich mit leisen Stimmen. Die anderen schlossen sich ihnen an.
Man lief ziemlich weit. Wände und Decken des Ganges waren mit Reliefs verziert, die mit großer Kunstfertigkeit ausgeführt waren, und offensichtlich geschichtliche wie religiöse Szenen darstellten. Kammern öffneten sich mit herrlich behauenen Eingängen auf den Gang. Drinnen brannten kostbare silberne Lampen, die ihren Schein auf mosaikgeschmückte Wände warfen. Eins war sicher, diese Kinder der Mutter Skaith hatten nur wenig mit ihren Verwandten im Meer gemein. Weit davon entfernt, sich tierisch zu geben, hatten sie offenbar eine vielfältige Gesellschaftsform entwickelt. Stark fragte sich, wie lebendig sie wohl noch war.
Einige Kammern lagen im Dunkeln. Es roch schwach nach Staub und Tod.
Der Gang endete in einer gewaltigen Höhle, die man unbehauen gelassen hatte. Nur der Boden war mit einem breiten Marmorweg geschmückt. Ihr folgten reich verzierte Vorzimmer, hinter denen sich die gewölbte Kammer der Kell à Marg befand.
Sie war ganz einfach. Wände und Boden waren mit einem hellen Stein bedeckt, der ganz glatt gelassen worden war. Nichts sollte das Auge vom Thron abziehen. Kell à Marg stieg die breiten Stufen hinauf und ließ sich nieder.
Die Wahrsager stellten sich rechts von ihr auf, und die anderen blieben vor dem Thron stehen.
»Nun«, sagte Kell à Marg zu Gelmar, »erzähl mir noch einmal von der Gefahr, die Skaith droht.«
Gelmar hatte sich wieder in der Gewalt. Er sagte beinahe zuvorkommend: »Gewiß, Tochter Skaiths. Ich würde jedoch lieber unter vier Augen mit dir sprechen.«
»Hier sind alle Bewahrer des Hauses versammelt, Gelmar. Ich möchte, daß sie zuhören.«
Gelmar nickte. Er sah Stark und Gerrith an. »Laß diese beiden bitte abführen.«
»Die Gefangenen«, sagte Kell à Marg. »Nein, Gelmar, sie bleiben.«
Gelmar wollte ärgerlich aufbegehren, besann sich und begann von den Schiffen zu berichten.
Kell à Marg hörte aufmerksam zu, ebenso auch die Wahrsager und Bewahrer des Hauses. Hinter der Aufmerksamkeit verbarg sich Furcht und Wut, die instinktive Zurückweisung einer unerträglichen Wahrheit.
»Wenn ich dich richtig verstanden habe«, sagte Kell à Marg, »so kommen diese Schiffe von draußen, von weit her?«
»Von den Sternen.«
»Die Sterne. Wir hatten sie fast vergessen. Und die Männer, die in diesen Schiffen fliegen, sie kommen auch von draußen, sind nicht auf der Mutter Skaith geboren?« Mit brennenden Augen blickte man auf Stark, den es eigentlich gar nicht geben durfte.
»Das stimmt«, sagte Gelmar. »Sie sind uns völlig fremd. Wir ließen sie bleiben, weil sie uns Dinge brachten, die uns fehlen, Metalle zum Beispiel. Aber sie brachten uns auch schlimme Dinge, fremde Gedanken, fremde Sitten. Und sie verdarben einige unserer Leute.«
»Sie verdarben uns mit einer Hoffnung«, sagte Gerrith. »Tochter Skaiths, darf ich dir erzählen, wie wir unter dem Gesetz der Schutzherren und der Stabträger leben?«
Gelmar hätte sie gern zum Schweigen gebracht, aber Kell à Marg ließ ihn nicht zu Wort kommen. Sie hörte sich an, was Gerrith zu sagen hatte. Dann sagte sie: »Ihr wolltet die Schiffe besteigen und Skaith verlassen, auf eine andere Welt fliegen? Ihr wolltet auf fremdem Boden leben, der euch nicht den Atem geschenkt hat?«
»Ja, Tochter Skaiths. Es fällt dir schwer, das zu verstehen, aber wir hielten es für die Erlösung.«
Sie wußte, daß das die falschen Worte waren. Stark wußte es auch. Trotzdem mußte es gesagt werden.
»Wir haben eine andere Erlösung gefunden«, sagte Kell à Marg. »Wir kehrten in den Schoß der Mutter zurück, und während dein Volk unter der alten Sonne zu leiden hatte, befanden wir uns
Weitere Kostenlose Bücher