Der Stern des Untergangs
harte graue Schlange auf ihn zuschnellte und mit der Spitze zwischen seinen Schenkeln anhielt.
Immer noch ohne sich zu rühren, schaute Sonja zu.
Der Blonde hielt in seiner Bewegung inne und drehte vorsichtig den Kopf. Er blickte in das hagere, kalte Gesicht von Iatos.
»Lass dein Schwert in der Hülle«, warnte Iatos, »wenn du nicht Selbstmord begehen willst! Sie könnte aus einem Dutzend deinesgleichen Hackfleisch machen.«
»Iatos!« knurrte der Blonde. Schweiß rann ihm über die Wangen. »Du alter Schwuler! Du hast dich wohl auch nicht geändert?«
»Hast du gehört? Halt’s Maul und verschwinde, solange du es noch kannst!«
Der Blonde verzog höhnisch das Gesicht. »Ich staune, dass du immer noch lebst, warmer Bruder. In meinem Stamm pflockt man deinesgleichen auf einen Ameisenhaufen.« Er richtete sich auf und schob die Klinge in die Scheide zurück, ließ die Hand jedoch um den Griff. »Ein Schwuler und eine Frau«, fuhr er verletzend fort. »Nettes Pärchen! Gehören zwei dazu …«
»Das genügt, Stovis! Ich kann dich gleich aufschlitzen oder mein Schwert zurückziehen und es Sonja überlassen. So oder so verlierst du alles. Du hast deinen Spaß weit genug getrieben, und jetzt ist’s an der Zeit, dass du dich zusammenreißt, bis Ostor zurückkehrt. Verstanden?« Das gefiel Stovis gar nicht, aber er blieb jetzt reglos stehen und schwieg.
»Ah, ich sehe, du hast begriffen«, brummte Iatos. Langsam, wachsam zog er seine Klinge zurück.
Ein Herzschlag verging.
In diesem Augenblick war Stovis versucht zurückzuspringen, sein Schwert zu ziehen und sich den Alten sowie die Frau vorzunehmen – aber er tat es nicht.
Als der kritische Moment verstrichen war, wandten die Gesichter sich wieder anderem zu. Der Augenblick der Gefahr war vorbei, denn nun kamen Bo-ugan und Ostor zum Platz zurück.
Sie hatten gesehen, was geschehen war, sprachen jedoch darüber nicht zueinander. Dergleichen passierte eben zwischen möglichen Feinden, manchmal auch zwischen möglichen Freunden. Aus ihren Mienen schloss Sonja, dass die Unterredung für keinen erfolgreich geendet hatte. Entweder konnte Bo-ugan Ostor nicht genug versprechen, oder was Ostor zu bieten hatte, mochte mehr Schwierigkeiten als Nutzen bringen. Jedenfalls verriet ihre schnelle Rückkehr, dass keine Einigung erzielt worden war.
Ostor saß auf und brüllte seinen Männern zu, das gleiche zu tun. Es gab keine größere Abschiedskundgebung zwischen den beiden Führern, lediglich diesen Befehl Ostors; dann ritten die Neuankömmlinge aus dem Ort hinaus. Innerhalb von Minuten nach dem Aufbruch erhoben sich Staubwolken galoppierender Pferde auf der vom Dorf wegführenden Straße und verloren sich allmählich am Horizont.
Bo-ugan kehrte mit seinem Stab zu seinem Haus zurück. Sonja, die nahe der Mauer stand, blickte auf den Boden vor ihren Füßen, wo jetzt, wenn die Dinge einen Augenblick anders verlaufen wären, vermutlich Stovis’ Leiche gelegen hätte. Fast traurig sagte sie zu Iatos: »Das ist auch der Grund, weshalb ich dich bewundere.« Dann lächelte sie ihn an und machte sich auf den Weg zur Söldnerunterkunft.
Sie wusste, dass etwas geschehen musste, und zwar bald. Der Wahnsinn in diesem Land wuchs …
Daron lag wach auf seiner Pritsche, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und auf die Decke starrend, als Sonja eintrat. Die Hyrkanierin warf sich auf ihr Bett, ahmte seine Haltung nach, biss sich nachdenklich auf die Unterlippe und sagte bedrückt: »Mein Freund, falls du eine Möglichkeit kennst, hier Schluss zu machen, damit ich auf anständige Weise von hier fort kann, wäre ich dir dankbar, wenn du mich einweihen würdest.«
Zu ihrem Staunen antwortete Daron: »Gut, dann tue ich es.«
Sonja rollte sich auf die Seite und setzte sich halb auf. »Was?«
»Ich werde helfen.«
»Du kannst helfen? Ich möchte wissen, was du …«
»Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht.« Es klang seltsam abwesend. »Ich werde es tun. Wir werden es beenden!«
»Daron …«
Er setzte sich auf die Kante seiner Pritsche, schlüpfte in die Stiefel, blickte Sonja in die Augen und sagte: »Lass mich erst mal waschen und frühstücken, einverstanden? Dann gehen wir zu Bo-ugan.«
Ohne ihr Gelegenheit zu geben, weitere Fragen zu stellen, verließ der ungewöhnliche junge Mann die Unterkunft.
Doch während Daron in einem ungestörten Winkel des Dorfes (wohin er sich manchmal vor der Betriebsamkeit der Straßen und des Platzes zurückzog) sein verspätetes
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