Der Stern von Yucatan
Pucuro könnten Sie in die Lage geraten, sich selbst verteidigen zu müssen. Wenn ich das Boot verlasse, möchte ich sicher sein, dass Sie auf sich aufpassen können, sollte etwas schief gehen. Kapiert? Wenn wir damit fertig sind, zeige ich Ihnen, wie man das Boot bedient.”
“Das ist doch eine Überreaktion von Ihnen”, beharrte sie steif. “Zum einen brauche ich keine Waffe zur Selbstverteidigung und zum anderen …”
“Sie brauchen die Waffe.” Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch.
“Jack, das ist doch lächerlich!”
“Sie werden lernen, mit dieser Waffe umzugehen und basta!”
“Fein”, erwiderte sie und sah das Ding voller Abscheu an. Unter Protest lauschte sie aufmerksam, während er ihr die Wirkungsweise der Waffe erklärte. Als er damit fertig war, zeigte er ihr, wie sie geladen wurde. Dann erwartete er, dass sie es nachmachte.
Lorraine gehorchte schließlich, aber ungern. Er ignorierte ihre Klagen und ließ sie die Prozedur so lange wiederholen, bis er sicher war, dass sie alles Wichtige beherrschte. “Als Nächstes möchte ich, dass Sie schießen.”
“Kommt nicht in Frage!” Die bloße Vorstellung, eine Waffe abzufeuern, war ihr heftigst zuwider. Abgesehen davon hatte sie nicht mal ein Ziel, auf das sie anlegen konnte.
“Raine, darüber wird nicht diskutiert.”
“In Gottes Namen”, stöhnte sie nur und gab nach. Sie wich einen Schritt zurück und wartete, dass er ihr die Feinheiten im Umgang mit der Waffe zeigte.
“Halten Sie sie.”
“Das habe ich schon getan.”
“Ich möchte, dass Sie ein Gefühl dafür bekommen. Balancieren Sie sie in der Hand, gewöhnen Sie sich an das Gewicht.”
“Das habe ich vorhin schon gemacht.” Eigentlich hatte sie das nicht. Für gewöhnlich war sie nicht so widerspenstig, aber Jack brachte die schlechtesten Eigenschaften in ihr zum Vorschein. Seine Nähe war außerdem ziemlich beunruhigend. Ihr Herz pochte laut und schnell. Herrgott, was schwitzte sie. Obwohl sie sich das Haar hochgesteckt hatte, lief ihr Schweiß den Nacken hinab. Jack schwitzte ebenfalls. Seine Haut glänzte regelrecht im Mondlicht. Sie fand ihn weitaus anziehender, als sie wollte. Da er sich rasiert hatte, sah sie auch, dass er viel attraktiver war, als ihm gut tat – oder ihr, um genau zu sein.
“Fertig zum Schießen?”, fragte er kurz und riss sie aus ihren Überlegungen.
“Meinetwegen, wenn es Sie glücklich macht!” Sie streckte beide Arme aus und zielte auf den dunklen Ozean.
Jack griff von hinten um sie herum und unterstützte mit den Händen ihre Handgelenke. Ihr Körper reagierte auf seine Nähe, und Lorraine atmete tief durch. Eine verrückte Sekunde lang vergaß sie glatt die Waffe in ihrer Hand. Stattdessen spürte sie die Wärme seines Körpers und seine gespannten kräftigen Muskeln. Sie hatte Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was er sagte. Er schien ungeduldig zu werden, denn seine Anweisungen kamen in kurzen Befehlen.
“Jetzt. Abzug drücken.”
Lorraine drückte vorsichtig.
Nichts geschah.
“Fester”, sagte er nah an ihrem Ohr. Zu nah.
Sie schloss die Augen und drückte fester.
“Behalten Sie die Augen offen!”, schnauzte er sie an.
Sie öffnete sie genau in dem Moment, als die Automatik losging. Durch die unerwartete Gewalt des Rückschlags taumelte Lorraine rückwärts und wäre vielleicht auf ihrem Hinterteil gelandet, wenn Jack sie nicht aufgefangen hätte. Mit beiden Händen fasste er ihre Seiten – schockierend nah an ihren Brüsten – und ließ sie dort länger als nötig.
“Ich … ich habe geschossen”, erklärte sie atemlos. Sie räusperte sich und fügte hinzu: “Das war gar nicht so schlimm.”
“Wollen Sie noch einmal schießen, um sicherzugehen, dass Sie es können?” Jack klang auch irgendwie anders.
“Nein … ich hab’s wohl begriffen.”
“Sicher?”
Lorraine nickte und hatte das unerklärliche Gefühl, gerade noch einmal davongekommen zu sein.
Es war fast Mittag am nächsten Tag, als sie sich Pucuro näherten. Lange bevor sie den Hafen erreichten, beorderte Jack Lorraine unter Deck. Er wollte nicht das geringste Risiko eingehen, dass sie von jemand entdeckt wurde. Er hatte es nicht so deutlich gesagt, aber Pucuro war voller Halsabschneider und Diebe. Sie hatten jedoch nur die Wahl, entweder hier an Land zu gehen oder auf der Suche nach einem abgelegenen kleinen Hafen noch einen Tag zu vergeuden.
“Jack?” Lorraine stand auf der Treppe unterhalb der Deckkante, und der Wind zauste ihr das
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