Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
nie erfahren, welchen Platz Gott dir in dieser Welt zugedacht hat.« Sie drehte sich zu ihm und sah ihn nun an. Liebe und rührende Berechnung zugleich schwangen in ihrem Blick. Sie küsste ihn, dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr.
»Bitte, Adam.«
»Warum nicht«, antwortete er schnell – viel zu schnell, wie er fand. Er hätte ihr kleines Spiel gern noch ein wenig ausgekostet.
Sie küsste ihn wieder, länger und tiefer. »Komm doch«, sagte sie, dann stand sie auf und lockte ihn aus seiner Kammer.
»Komm doch zu mir, Lieber.«
DREI
Der Wandel war so unvermutet wie ein Wetterumschwung über ihr Leben hereingebrochen. Ein Umschwung von ungewissem Grau hin zu den freundlichsten Schönwetterwolken. Sophie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, sie summte eine Melodie und Farid, der auch heute an ihrer Seite arbeitete, sah sie kopfschüttelnd an.
»Du singst wie eine Amsel.«
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, murmelte sie entschuldigend, als er ihr die Zunge herausstreckte. »Als Meister Friedrichs mich zu sich rufen ließ und ich den Mathematicus bei ihm sah, dachte ich, dass man mich tadeln würde. Dass ich etwas Falsches getan haben müsste.«
»Was hätte das sein sollen?« Farid machte sich einen Spaß daraus, sie aufzuziehen. Doch das Gefühl, dass sie in der Gartenwerkstatt und der Gegenwart der beiden Männer befallen hatte, war schrecklich gewesen. Sie hatte geglaubt, dass man ihre wahre Identität herausgefunden hatte. Und dass man sie nun entlassen würde. Vielleicht hatte Catharina Olearius bemerkt, dass sie nur vorgab, ein Junge zu sein. Gewiss hatte sie sich mit einer unbedachten Äußerung oder einer verräterischen Geste bloßgestellt. Ja, vielleicht würde man sie sogar als Betrügerin an den Pranger stellen.
Das Blut hatte in ihren Ohren gerauscht und ihre Hände, die sie hinter ihrem Rücken unablässig geknetet hatte, verstärkten ihre Aufregung nur noch. Schon hatte sie sich Abschied nehmen sehen – Abschied von Farid und von dem Gartenwerk, an dessen Gelingen ihr Herz inzwischen hing. Sie hatte gedacht, dass sie die Trauer und Scham über ihr Scheitern nicht würde ertragen können. Wo sollte sie hin?
Doch als sie noch um eine Entschuldigung rang, echoten schon die Worte des Gartenmeisters durch die hohen Räume seiner Werkstatt. »Olearius … Pate … Lehrgeld … sofort …«, war alles gewesen, was zu ihr durchgedrungen war.
Erst als sie wieder draußen in den Gärten stand und versuchte, zu Atem zu kommen, dämmerte ihr, was geschehen war. Dass der Hofgärtner sie soeben in den Stand eines Garteneleven versetzt hatte und dass sie von nun an die Gartenkunst von der Pike auf erlernen dürfte.
Lustgarten, Küchengarten, Baumgarten, Orangerie – noch schwirrten die verheißungsvollen Orte wie bunte Schmetterlinge durch ihren Kopf. Doch in den kommenden Jahren würde sie eng mit Meister Friedrichs und dessen Gesellen zusammenarbeiten, um danach selbst als Geselle mit eigenem Wissen und Gerät auf Wanderschaft zu gehen. Und dann …
»Sophian …« Farid sah sie lächelnd an. »Du träumst …« Er wies auf die Setzlinge, die sie kopfüber in die Erde gesteckt hatte. »Wenn das der Meister sieht!«
»Verflixt!« Vorsichtig zog sie die zarten Pflänzchen wieder aus dem Boden.
»Sie werden schon noch anwachsen.« Farid sah sie immer noch an und für einen Augenblick dachte sie, dass da etwas Forschendes, ja, Zweifelndes in seinem Blick lag.
Wie lange würde sie die Wahrheit noch vor ihm verbergen können? Sie versuchte, seinen Blicken auszuweichen. Zwar hatte sie inzwischen herausgefunden, wie sie ihre Brüste unauffällig abbinden konnte, doch die helle Stimme und der fehlende Bartwuchs würden sie bald – allzu bald – verraten.
Schon jetzt war ihr Leben ein einziges Versteckspiel. Sie wusch sich abseits der anderen, schlug sich heimlich in die Büsche und gab vor, nicht schwimmen zu können, wenn die Gartenjungen ein Bad in der Schlei nahmen.
Sie wusste, dass Farid dachte, der Freund geniere sich wegen seines zarten Wuchses oder einer anderen körperlichen Unzulänglichkeit. Und sie ließ ihn in diesem Glauben.
Doch seine Blicke wurden drängender – und fordernder zugleich. Es war, als ob sein Körper etwas spürte, was sein Verstand nicht begreifen konnte. Und als ob ihr schwellender Leib einen Duft, einen Reizstoff, verströmte, der ihn wie ein Insekt lockte.
Sophie beugte sich tiefer über die Pflanzen und drückte die daumengroßen Setzlinge sorgfältig
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