Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
nachts neben ihm atmete, ihm nah
und doch so fern war, hielt er es oft genug nicht mehr
aus.
Als er jetzt an ihr vorbeiritt, drehte sie den Kopf leicht
zur Seite, um ihn nicht ansehen zu müssen.
Axis preßte die Lippen zusammen und hielt Belaguez
erst nach vier oder fünf weiteren Schritten an. Er zwang
sich, nicht an die junge Frau zu denken, und richtete
seine Blicke auf das, was vor ihm lag.
Bornheld stand wie er an der Spitze seines Heeres, das
zwischen dem Bedwyr Fort und dem Knie des Nordra
Stellung bezogen hatte. Der Fluß bog hier nach Süden ab,
um sich schließlich ins Meer von Tyrre zu ergießen.
Heute wollte Axis seinem Bruder die letzte Gelegenheit geben, vom Thron zurückzutreten und sich seinem
Kampf gegen Gorgrael anzuschließen. Natürlich hoffte
der Krieger im Innersten, daß Bornheld ablehnen und es
dann zwischen ihnen zu einem Kampf kommen würde.
Denn dieser Mann mußte sterben, und Axis wollte ihn
lieber im Zweikampf töten, als ihn zu ermorden … Aber
auf keinen Fall durfte Bornheld hier draußen sterben.
Wenn Faraday bei seinem Tod nicht anwesend war, wäre
der Pakt mit der Torwächterin nicht erfüllt.
»Folgt mir«, befahl er Belial und Magariz und spornte
seinen Hengst an. Hinter ihm ritt Arne, der das goldene
Banner trug. Der Wind zog und zerrte an dem Stoff, so
daß es aussah, als würde die flammende Sonne darauf
wütend Feuer spucken.
Die Reiter trugen weder Helm noch Waffen.
Als Axis und seine drei Kameraden über das offene
Feld ritten, das die beiden Armeen voneinander trennte,
löste sich eine kleine Gruppe Reiter von Bornhelds Seite,
um entschlossen auf sie zuzutraben.
Bevor die beiden Parteien zusammentrafen, setzte
Rivkah ihr Pferd in Bewegung und gesellte sich zu Aschure. Beider Blicke bohrten sich geradezu in Axis’ Rücken.
»Habt Ihr es ihm schon gesagt?« fragte seine Mutter.
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht,
Rivkah. Er muß sich im Moment um so viel anderes
kümmern, daß ich ihn nicht auch noch damit plagen
will.«
»Axis hat aber ein Recht darauf, es zu erfahren, Aschure. Wie könnt Ihr ihm das vorenthalten?«
Sie drehte sich ärgerlich zu Rivkah um: »Ich verstehe
Eure Bedenken, aber das ist ganz allein eine Angelegenheit zwischen Axis und mir. Sobald er die Schlacht um
Tencendor gewonnen hat, werde ich es ihm sagen.«
Rivkah schüttelte den Kopf, und tiefe Sorgenfalten
durchzogen ihr Gesicht. Was hatte ihr Sohn nur vor? Wie
wollte er mit beiden, Aschure und Faraday, verfahren?
Aber er ließ ja nicht mit sich reden und verhielt sich auf
diese Frage hin genauso gereizt wie Aschure wegen ihrer
neuen Schwangerschaft.
Langsam bewegten sich die beiden Gruppen aufeinander
zu. Wie bei der Gundealgafurt, dachte Belial, als er die
Zügel seines Pferdes kürzer faßte. Nur kommen wir hier
nicht zusammen, um einen Waffenstillstand zu schließen,
sondern um einen aufzuheben. Um den letzten für null
und nichtig zu erklären, damit alle Welt erkenne, daß nun
bis zum letzten Blutstropfen gekämpft werden wird. Axis’
und Bornhelds bittere Fehde soll nun ihr endgültiges
Ende finden.
Der Krieger und der König zügelten ihre Pferde, als
sie nur noch acht Schritte voreinander getrennt waren,
und starrten sich wortlos an. Axis’ roter Umhang flatterte
um das goldene Langhemd. Bornheld trug die königliche
Goldkette über der bronzefarbenen Rüstung. Wie würde
die Welt wohl heute aussehen, fragte sich der Leutnant,
wenn nur einer von den beiden geboren worden wäre?
Axis wie auch Bornheld hatten sich nur durch die lodernde Rivalität zu dem entwickelt, was sie heute waren.
Hätte der König seine Feindseligkeit gegenüber den Unaussprechlichen so sehr gepflegt, wenn sein Bruder sie
nicht hinter sich geschart hätte? Wären ihm nicht längst
Zweifel an seiner Haltung gekommen, wenn nicht die
Fehde mit Axis alle anderen Gedanken überschattet hätte? Und hätte der Krieger so bereitwillig das Königreich
in einen Bürgerkrieg gestürzt, wenn nicht sein Bruder,
sondern ein anderer auf dem Thron gesessen hätte? Hätte
Axis so unaufhaltsam versucht, Faraday zu erreichen,
wenn sie nicht mit Bornheld verheiratet gewesen wäre?
»Nun, Bruder«, begann der Sternenmann, »wie es
scheint, ist die Zeit für Verträge und Waffenstillstände
endgültig vorbei.«
»Habt Ihr schon Euren Frieden mit den Göttern der
Dunkelheit und der Boshaftigkeit geschlossen, Axis?«
höhnte der König. »Denn bald werdet Ihr ihnen von
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