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Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04

Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04

Titel: Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Körperöffnungen floß, auch aus den Stellen, an denen die Haut sich
zu straff über die Auswüchse gespannt hatte und zerrissen war.
Alle Magier, ob männlich oder weiblich, müssen erst
sterben, um umgewandelt werden zu können. So sind wir
hier Zeuge von beidem: Von Ramus Tod wie von seiner
Wiedergeburt. Alles sehen wir mit an. Aber wir dürfen
ihm nicht helfen. Ramu muß das ganz allein durchstehen.
Der Krieger weinte leise. Er hatte den Awaren immer
sehr gemocht, und ein besonderes Freundschaftsband
hatte sich zwischen ihnen geknüpft. Axis konnte sich
noch gut daran erinnern, als sie beide sich im Keller der
Bethalle von Smyrdon zum ersten Mal angeblickt hatten.
In diesem Augenblick hatten sie sich gegenseitig verstanden. An jenem Ort hatte er nicht nur den Magier
kennengelernt, sondern auch … Gerade noch rechtzeitig
konnte er seine Gedanken versperren.
Wen! fragte Faraday sogleich.
Schra, ein kleines Awarenmädchen.
Die Baumfreundin nickte wissend, denn auch sie war
der Kleinen schon einmal begegnet – damals am Farnbruchsee, bei der Mutter. Ramu hatte in jener Nacht sie
und Schra mit der Mutter zusammengebracht.
Der Aware bekam nicht mehr genug Luft, um weiterschreien zu können. Dabei wurde er immer noch von
Schmerzen geschüttelt. Sein Keuchen und Krächzen
klang Axis und Faraday gräßlich in den Ohren. Wie erstarrt sahen sie hin, und auch die huschenden Augenpaare bewegten sich nicht mehr.
Nach einigen weiteren Minuten atmete der Magier überhaupt nicht mehr. Aber sein Körper zuckte weiterhin. Er
hatte den Kopf so verdreht, daß seine großen dunklen
Augen, die nun blutrote Tränen verströmten, verloren in
die von Axis blickten, wie anklagend. Er sah sich auf
einmal mit Ramus Augen: Da stand er wie selbstverständlich neben Faraday, obwohl er doch schon seit längerem … Bei den Sternen! Axis stöhnte gequält auf.
Beinahe hätte er sich selbst verraten.
Nur ruhig! Die Umwandlung steht unmittelbar bevor.
Schweigt bitte, und fürchtet nicht um ihn.
Der Krieger wandte den Blick von Ramus starrenden
Augen ab, aber die Schuldgefühle wollten ihn nicht verlassen. Deswegen schirmte er seine Gedanken noch mehr
vor Faraday ab. Neue Entschlossenheit überkam ihn. Je
eher er ihr von Aschure erzählte, desto früher würde sein
Leiden ein Ende haben.
Das Mädchen keuchte, als Ramu plötzlich auf entsetzliche Weise zerrissen wurde.
Axis schrie, ohne daß es ihm bewußt wurde, als ein Regen von Blut und Gewebe über der Lichtung niederging.
Faraday schrie zwar nicht, zitterte aber fassungslos.
Verwirrung und Entsetzen spiegelten sich auf ihrer Miene wider. »Mutter!« rief sie. Sie hatte zwar gewußt, daß
der Magier sich in ein neues Wesen verwandeln würde,
aber daß es so schrecklich sein würde, hatte sie nicht
erwartet.
Als der Krieger endlich wieder auf die Stelle blicken
konnte, wo sich eben noch Ramu gekrümmt hatte, war
von all dem Fleisch und Blut nichts mehr zu sehen. Statt
dessen lag dort ein herrlicher weißer Hirsch, den Kopf
auf den Vorderläufen ruhend und mit der Nase am Boden
schnüffelnd.
Axis schaute rasch nach links und nach rechts. Am
Waldrand bewegte sich etwas. Ein Wesen – halb Mensch
und halb Hirsch – trat heraus und näherte sich dem ehemaligen Ramu. Der Gehörnte mit dem Silberpelz, fuhr es
dem Krieger durch den Sinn, der ihm damals im Traum
begegnet war! Er beugte sich über den Hirsch und berührte ihn an der Stirn. Das Tier senkte unter der Hand
des Gehörnten verehrungsvoll den Blick.
Als der Silberpelz einen Schritt zurücktrat, ertönte ein
gewaltiger Schrei aus den Bäumen. Der Gehörnte warf
den Kopf in den Nacken und fiel in den Schrei ein, der
sich zu einer Woge des Jubels steigerte.
»Ramu«, murmelte Faraday kaum hörbar neben Axis.
Der Magier hatte sich nicht in einen Gehörnten verwandelt, sondern in den Heiligen Hirsch des Zauberwalds.
»Ach Ramu«, flüsterte sie tonlos, »ich wußte immer, daß
du etwas ganz Besonderes bist. Dies mit anschauen zu
dürfen, zeichnet mich über alle Maßen aus.«
Sie wußte nicht, daß sie selbst mit Unterstützung der
Energie der Mutter und des Heiligen Hains dieses Wunder bewirkt hatte.
»Das verstehe ich nicht«, gestand der Krieger.
Faraday rief sich die Worte der alten Ur ins Gedächtnis, ehe sie ihm antwortete: »Einmal alle hundert Generationen gibt es einen Magier von solcher Reinheit und
Güte, daß er bei der Umwandlung nicht zu einem Gehörnten wird, sondern zum Heiligen Hirsch –

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