Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
die Wächter warten. Arne. Und
eine Handvoll Bewaffnete. Ich glaube, ich nehme Rabenbunder.«
»Da braucht Ihr aber schon ein großes Handelsschiff,
um mit der ganzen Gesellschaft überzusetzen.«
Axis klopfte ihm auf den Rücken. »Wir sind nur siebzehn oder achtzehn, mein Freund. Da reicht auch ein
gutes Ruderboot.«
»Aber Aschure laßt Ihr hier?«
Sein Gesicht wurde hart. »Jemand muß doch während
meiner Abwesenheit den Oberbefehl über das Lager haben. Außerdem glaube ich nicht, daß sie mitmöchte.«
»Axis …« begann der Leutnant zögernd. »Seid vorsichtig damit, wieviel Ihr Aschure in dieser Sache zumutet. Sie liebt Euch zu sehr, um einfach unbesorgt und
tatenlos zuzusehen, wie Ihr heute nacht zu einer anderen
fahrt.«
Der Krieger atmete tief durch, um nicht die Geduld
mit seinem Freund zu verlieren.
»Seid vorsichtig«, sagte Belial noch einmal und spürte
im gleichen Moment, daß er zu weit gegangen war.
»Aschure hat in diesem Lager viele Freunde gewonnen.
Wenn Ihr sie verletzt, geht das auch vielen anderen nahe.«
»So wie Euch, was?« Axis sah nicht ein, warum er den
Leutnant noch länger schonen sollte. »Liebt Ihr sie eigentlich wahrhaftig so sehr?«
Der alte Waffengefährte hielt dem gnadenlosen Blick
des Generals stand. »Ich will gar nicht abstreiten, daß ich
einmal sehr verliebt in sie gewesen bin. Aber dann kam
der Moment, in dem ich eingesehen habe, daß ich meine
Gefühle für sie nicht weiter nähren sollte, hatte sie doch
nur einen im Sinn – nämlich Euch. Ich spürte, daß mich
diese unerfüllte Liebe über kurz oder lang zugrunde richten würde, und ich wollte nicht zugrunde gehen. Aber ich
mag sie immer noch sehr. Und das tun auch Magariz,
Rivkah, Arne und viele, viele andere, die ich Euch nicht
alle aufzählen muß.« Belial holte tief Luft und fuhr dann
mit fester Stimme fort: »Uns allen liegt sie zu sehr am
Herzen, als daß wir mit ansehen könnten, wie sie langsam an gebrochenem Herzen stirbt, wenn Ihr Faraday
heiratet. Ihr müßt Euch für eine von beiden entscheiden.
Laßt Aschure gehen, oder verzichtet auf Faraday Wenn
Ihr unbedingt beide haben wollt, werdet ihr beide zerstören.«
»Ich werde weder auf die eine noch auf die andere
verzichten!« polterte der Krieger los. »Dazu besteht auch
nicht der geringste Anlaß! Beide werden einander dulden
lernen. So etwas hat es auch früher schon gegeben.«
»Aber nicht mit zwei solchen Frauen!« erwiderte der
Leutnant jetzt ebenfalls erregt. »Beide sind jede auf ihre
Weise ganz besondere Frauen, aber beide werden auch
vergehen, wenn sie gezwungen werden, sich Euch zu
teilen!«
»Ich glaube nicht, daß Euch das etwas –« begann der
Krieger, als ein Schrei von den Zelten die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zog.
Isgriff schritt wutschnaubend auf die beiden am Ufer
zu und schleppte eine schlanke Nor hinter sich her.
»Bei den Göttern, nein!« ächzte Belial. »Das ist Kassna!«
Der Zorn entstellte die schönen Züge des Barons so
sehr, daß man ihn fast nicht wiedererkennen konnte. Das
Mädchen in dem roten Kleid hatte dagegen eine mürrisch
trotzige Miene aufgesetzt.
Er blieb vor den beiden stehen und fing an, den Leutnant wüst zu beschimpfen.
»Ist Euch überhaupt bewußt, was Ihr da angerichtet
habt, Ihr Niemand, Ihr Taugenichts? Oder hat die Begierde Euren Verstand aussetzen lassen, als Ihr meiner
Tochter die Unschuld raubtet?«
»Tochter?« stammelte Belial nur.
»Ja, meine Tochter!« brüllte der Baron. »Hieltet Ihr
sie vielleicht für eine Lagerdirne? Sah sie für Euch vielleicht aus wie ein liederliches Frauenzimmer? Oder
kommt einem wie Euch gar nicht in den Sinn, welche
Folgen es haben könnte, wenn er ein junges Ding in sein
Bett lockt?«
»Ich …«, setzte der Leutnant an, aber Isgriff war noch
lange nicht fertig.
»Von welchem Nutzen ist Kassna jetzt noch? Von gar
keinem! Was für eine Hochzeit kann ich nun noch für sie
arrangieren? Gar keine mehr! Nur noch eine in aller Verschwiegenheit stattfindende Heirat mit einem dummen
Bauern, dem man mit Geld das Maul stopft, damit er
ihren schwangeren Leib übersieht!«
Wieder versuchte der Leutnant vergeblich, zu Wort zu
kommen, was vermutlich auch daran lag, daß er die Neuigkeit erst verdauen mußte, das Mädchen geschwängert
zu haben. Dafür setzte sich diesmal Kassna durch.
»Vater!« begann sie leise, aber streng. Axis fiel auf,
daß sie nicht nur das gute Aussehen des Barons, sondern
auch dessen Art geerbt hatte.
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