Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
Kriegers platzte Bornhelds Aorta auf. Eine Blutfontäne spritzte hoch auf und
regnete auf Faradays Hals und Brust nieder. Kleine,
warme Bäche rannen zwischen ihren Brüsten hinunter.
Da sie nun das Schlimmste annehmen mußte, schrie sie
wie von Sinnen und verdoppelte ihre Anstrengungen,
Jorge zu entkommen.
Aber so sehr sie sich auch dagegen wehrte, Faraday
konnte dem brechenden Blick ihres Gemahls nicht entkommen. Oder war es Axis, der dort starb? Sie konnte es
nicht erkennen. Wessen Augen starrten sie da in stummem Flehen an? War das wirklich der Krieger? O Mutter, bitte, laß es nicht meinen Liebsten sein, der da zu
meinen Füßen stirbt!
Die Arme bis zum Ellenbogen von Blut gerötet und das
Hemd warm auf seiner Haut klebend, griff Axis in den
nun offenen Brustkorb seines Bruders und suchte nach
dem immer noch schlagenden Herzen. Als er es fand, riß
er es heraus und bespritzte alle Umstehenden mit Bornhelds Blut.
»Freierfall!« schrie er, lehnte sich auf seinem Bruder
zurück und starrte zur Kuppeldecke hinauf. »Freierfall!«
Der Adler stieß sich vom Sims ab, und sein Schrei
mischte sich in Axis’ Ruf. Er flog zu seinem Herrn hinab.
Als der Vogel sich ihm näherte, warf der Krieger das
immer noch zuckende Herz des Königs so hoch, wie er
nur konnte. Dunkles Blut klatschte in dicken Tropfen auf
sein goldenes Haar und auf den Marmorboden. Als das
Herz am höchsten flog, bekam der Adler es mit seinen
Krallen zu packen und landete im nächsten Moment mit
heftig schlagenden Schwingen auf dem Boden. Er hatte
noch nicht richtig aufgesetzt, da begann er schon, mit
dem Schnabel an dem Herzfleisch zu reißen.
Alle starrten so entsetzt auf den Adler, der da das Herz
des Königs zerfetzte, daß sie sich buchstäblich nicht von
der Stelle rühren konnten. Auch Rivkah, die immer noch
von Magariz gehalten wurde, mußte wie unter einem
hypnotischen Zwang hinsehen, als der Schneeadler das
Herz ihres Erstgeborenen fraß. Ein Grauen erfaßte sie.
Axis sprang nun auf und wäre beinahe auf dem vielen
Blut ausgerutscht, das Bornheld wie ein See umgab.
Faraday blickte ihn an, als könne sie ihren Augen
nicht trauen … blutüberströmt stand er da. Das Rot tropfte von seinem Körper und verklebte ihm Bart und Haupthaar.
Jetzt streckte er eine Hand aus und riß sie an sich.
Jorge ließ sie los, weil der blutige Anblick von Faraday
und Axis ihm Übelkeit bereitete. Die Königin konnte
sich kaum noch wehren, als der Krieger sie beim Handgelenk packte. Der Blick in seinen Augen jagte ihr Angst
ein, und sie keuchte erschrocken, als seine warmen, klebrigen Finger sich so hart um ihr zartes Handgelenk legten, daß es ihr wehtat.
Bornhelds Blut rann immer noch ihre Brüste hinab,
und sie würgte. Überall Blut. Sie spürte es, roch es,
schmeckte es …
Axis zerrte Faraday den Rubinring der Herzöge von
Ichtar vom Finger, ohne dabei den Griff zu lockern, mit
dem er sie unnachgiebig festhielt.
»ICH HABE MEINEN TEIL DER ABMACHUNG
ERFÜLLT, TORWÄCHTERIN!« brüllte er. »NUN
ABER LEISTET IHR DEN EUREN!«
Der Krieger warf den Ring in die offene Brust seines
Bruders, wo er noch einmal aufblitzte, ehe er in dem
Teich von Blut versank, der sich dort gebildet hatte, wo
einmal Bornhelds Herz gewesen war.
26 U
MWANDLUNGEN
Zweitausend Jahre saß sie schon in dem verhaßten Rubin
gefangen und hatte sich am Finger von zahllosen Herzoginnen von Ichtar tragen lassen müssen. Seit zweitausend
Jahren war sie eingesperrt in diesem Edelstein, hatte
zahllosen nichtigen Gesprächen lauschen müssen und
durch den rötlichen Schein ihres Gefängnisses verfolgt,
wie eine Edle der nächsten im Amt folgte. Sie weinte mit
den Damen, die gezwungen wurden, den Reif zu nehmen
und den verhaßten Gemahl zu ertragen.
Der Bann, der vor zweitausend Jahren über die Quelle
gelegt worden war, hatte Zecherach in diesen Rubin gezwungen. Sie wußte, daß dabei dunklere Formen der
Magie zum Einsatz gekommen sein mußten, auch wenn
sie davon nichts verstand. Die Wächterin konnte sich
ebenfalls nicht daran erinnern, welcher Herzog die Quelle hatte zumauern lassen, um den See auszutrocknen.
Weil er sich so darüber geärgert hatte, daß die Brücke ihn
nicht passieren lassen wollte. Heute war ihr das egal,
denn es spielte keine Rolle mehr. Sie wußte nur noch,
daß das Wasser immer weniger geworden war und sie
sich mit dem See aufgelöst hatte. Als die Sonne die letzte
Pfütze aufgesogen hatte und die Brücke mit einem Seufzer
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