Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
nach
Hause zurückgefunden. Ruht Euch heute nacht bei Abendlied aus. Sobald wir etwas mehr Zeit füreinander finden,
berichte ich Euch alles.«
»Was denn für eine Nacht?« lachte Sternenströmer.
»Seht Ihr denn gar nicht, Axis, wie das erste Tageslicht
bereits die Halle durchströmt?«
Der Krieger blickte verblüfft hinauf zu den kleinen
Fenstern, die ins Kuppeldach eingelassen waren. Tatsächlich, ein rosafarbener Himmel zeigte sich dahinter.
»Bei den Sternen«, flüsterte er, »wie lange haben Bornheld und ich denn gekämpft?«
»Fast die ganze Nacht, mein Freund«, antwortete Belial hinter ihm. »Ich weiß nicht, wo Ihr noch die Kraft
hernehmt, auf Euren beiden Beinen zu stehen.«
Axis umarmte den treuen Waffengefährten, nahm sein
Schwert, das dieser ihm reichte und schob es in die leere
Scheide an seiner Seite. »Belial, ist der Hauptmann der
Palastwache unter den Anwesenden?«
Der Leutnant nickte und zeigte auf einen großen, dunkelhaarigen Mann, der recht nervös wirkte.
Axis winkte ihn zu sich: »Wie heißt Ihr, Hauptmann?«
Er konnte sich nicht mehr an ihn erinnern.
»Hesketh, Euer … Herr«, murmelte der Mann.
»Hauptmann Hesketh, ich übernehme nun die Hauptstadt, so wie ich vorher ganz Achar übernommen habe.
Wollt Ihr Euch mir in den Weg stellen?«
»Nein, Herr.« Hesketh warf Yr einen unsicheren Blick
zu, die gerade zusammen mit Faraday den Saal verließ.
Sie lächelte ihrem Liebhaber kurz zu und war schon
durch die Tür verschwunden.
»Gut, denn Ihr und Eure Wache folgt nun Belial, der
Eure Männer einteilen wird. Danach begebt Ihr Euch zu
den Stadttoren und laßt sie öffnen. Jedermann innerhalb
und außerhalb der Stadt mag kommen und gehen, wie
und wohin es ihm beliebt. Ich habe nicht vor, die Palastwache mit irgendwelchen Vergeltungsmaßnahmen zu
bestrafen. Genausowenig wie die Soldaten, die von
Bornhelds Armee noch übriggeblieben sind. Ich verlange
von Euch nicht mehr als Eure Treue.«
»Jawohl, Herr.« Hesketh klang jetzt schon etwas munterer, »meiner Treue dürft Ihr gewiß sein.« So weit es ihn
betraf, hatte der Krieger in diesem Saal mit seinem Bruder um die Krone des Königreiches gerungen und sie in
gerechtem Zweikampf gewonnen. Wenn all das, dessen
Axis den König beschuldigt hatte, der Wahrheit entsprach, dann hatten die Götter selbst eben Bornhelds
Verderben herbeigeführt.
»Gut«, sagte Axis wieder. »Belial, macht Euch mit
dem Hauptmann jetzt auf den Weg, den Palast zu durchsuchen. Nehmt zwei von den Kämpfern der Rabenbunder
mit. Die anderen vier brauche ich hier.«
Sein Leutnant salutierte und entfernte sich.
Der Krieger hatte nun noch eine Sache zu erledigen
und sah sich nach Gautier, Timozel und Jayme um. Die
drei standen in einer Ecke und wurden von Ho’Demi und
seinen verbliebenen vier Männern mit der Waffe bedroht.
Axis schritt auf sie zu. »Timozel«, begann er langsam,
weil er nicht so recht wußte, wie er mit dem Jüngling
umgehen sollte. Die einst lebensfrohen und gutgelaunten
Züge waren unter der finster brütenden Miene nicht wiederzuerkennen. Ein fanatisches Feuer flackerte in seinen
Augen. »Ihr habt Faraday geschworen, Ihr stets zu dienen. Gilt dieser Eid noch?«
Der Jüngling sah ihn eigentümlich an. Er hatte den
Ausgang des Zweikampfs mit Schrecken verfolgt. Bornheld lag nun erschlagen am Boden, und seine Visionen
zerstoben zu reinen Lügengebilden. Wo war die gewaltige Armee, die sich viele Meilen weit in jede Richtung
erstreckte? Wo blieben die Zehntausend, die begeistert
seinen Namen riefen? Was war mit den ungeheuren Siegen? Was, wann und wie?
Und wie würde sich Faraday verhalten? Ihr Gemahl
lag in seinem Blut auf dem Marmorboden. Würde sie
sich nun Axis in die Arme werfen?
»Ja, ich bin immer noch der Ritter der Herrin und
weiß, daß sie nun meines Rates und meines Beistands
mehr denn je bedarf. Vor allem, wenn sie sich zu raschen
Entscheidungen hinreißen lassen sollte, die sie später
bitterlich bereuen müßte.«
Der Krieger rang darum, seine Fassung zu bewahren.
»Dann vergeßt nicht, Timozel, daß Ihr Euch verpflichtet
habt, sie bei allem, was sie tut oder vorhat, zu beschützen
und zu unterstützen. Faraday trifft ihre Entscheidungen
ohne Euch, denn Ihr seid nicht ihr Herr.«
»Und ich schwöre bei allen Göttern, daß ich alles in
meiner Macht Stehende tun werde, um dafür zu sorgen,
daß Ihr ebenfalls nicht ihr Herr sein werdet.« Damit
schob der Jüngling sich an ihm vorbei und marschierte
aus der Halle.
»Laßt ihn gehen«, gebot der
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