Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
verschwand, hatte der Herzog, der von der anderen
Seite des Burggrabens aus zusah, in diesen hineingeschaut und in seinem Schlamm den prächtigen Rubin
entdeckt. Begeistert hatte er ihn an sich gebracht, und
seitdem sah sich Zecherach dazu verdammt, in diesem
Stein festzusitzen.
Die letzten dreißig Jahre hatten sich für sie als besonders enttäuschend erwiesen. Sie hatte am Finger der vorletzten Herzogin von Ichtar gesteckt, als der ikarische
Zauberer aus der Sonne herangeflogen gekommen war
und ihr den Sternenmann eingepflanzt hatte. Zecherach
befand sich immer noch an ihrem Finger, als das prophezeite Kind in ihr heranwuchs und die Wehen einsetzten.
Aber dann war Searlas erschienen, der verdammenswerteste aller Herzöge dieses Geschlechtes, und hatte seiner
Gemahlin den Ring vom Finger gerissen. Zecherach hatte
nicht mehr miterleben können, ob das Kind gesund oder
tot zur Welt gekommen war.
Viele Jahre lang hatte sie dann in einem kalten und
finsteren Gewölbe des Gemäuers liegen müssen, das vom
wunderschönen und außergewöhnlichen Sigholt übriggeblieben war. Zecherach haderte mit dem Schicksal,
weil sie in ihrem rubinroten Gefängnis nicht in Erfahrung
bringen konnte, wie weit die Prophezeiung sich bereits
erfüllt hatte. Was mochten Ogden, Veremund und Yr
gerade unternehmen? Wandelten sie schon über die Erde? Und was mochte aus Jack geworden sein? Jack, wo
seid Ihr? In ihrem Stein konnte sie nichts von ihren Gefährten spüren, und die federleichte Berührung von Jack
vermißte sie am allermeisten. Würde sie ihn je wiedersehen?
Eines Tages war Bornheld in dem Gewölbe erschienen, hatte den Ring gesehen und an sich genommen. Er
nahm ihn nach Karlon mit und steckte ihn seiner zukünftigen Gemahlin an den Finger. Und so begab sich Zecherach mit Faraday auf Reisen, erlebte mit ihr die schönen
und die gefährlichen Abenteuer, kam durch das ganze
Land und erkannte durch die junge Frau, wie die Prophezeiung sich ausbreitete. Durch Faradays Augen hatte
Zecherach die vier anderen Wächter gesehen, sich aber
nicht mit ihnen in Verbindung setzen können.
Die Gefangene verfolgte, wie Faraday sich mehr und
mehr in den Sternenmann verliebte, ein Mann namens
Axis – was für ein eigenartiger Name – und sie erduldete
es mit ihr zusammen, Bornhelds Gemahlin zu sein. Dann
mußte die fünfte Wächterin miterleben, wie die Stadt
Gorken fiel. In dieser Zeit betete sie mit Faraday zusammen, daß sie vom Samen ihres Mannes nicht schwanger
würde. Bei der Mutter, sie wünschte sich von Herzen,
daß die männliche Linie der Herzöge von Ichtar stürbe.
Die Familie, deren Vorfahr sie einst in diesen Stein gezwungen hatte.
Mit Faraday hatte sie auch den Heiligen Hain und den
Zauberwald besuchen dürfen, und das tröstete sie für
einige Zeit über ihre mißliche Lage hinweg.
Und endlich, endlich, in dieser Nacht durfte sie von ihrem Gefängnis aus zuschauen, wie Bornheld zu Tode
kam. Als der Sternenmann dann den Ring ergriff,
schluchzte Zecherach vor Erleichterung. Und als das
noch warme Blut des letzten Herzogs von Ichtar über
dem Rubin zusammenschlug, spürte sie, wie die Fesseln
des Banns endlich von ihr abfielen. Der Tod des verfluchten letzten Herzogs gab ihr das Leben zurück.
Er stürzte verwirrt aus der Sonne. Wo war er gewesen?
Was war geschehen? Warum fand er sich nicht mehr
zurecht? Ungeheure Hitze umfing ihn, und er fiel noch
tiefer. Verzweifelt versuchte er, der Glut zu entkommen,
von der er glaubte, daß sie von der Sonne stamme. Doch
die Wärme nahm weiter zu. Sie umhüllte ihn, verbrannte
ihn, kochte ihn, briet ihn und blendete ihn. Sein Gehirn
war in diesem Sengen zu keinem klaren Gedanken mehr
fähig. Statt nach einer Möglichkeit zu suchen, seinen
Sturz aufzuhalten, riß er sich nur die Hände vors Gesicht,
um die Augen zu schützen, und schrie unaufhörlich.
Die Hitze schoß mit solcher Macht durch den Mondsaal,
daß alle sich abwandten und sich das Gesicht bedeckten.
Und dann hörten sie den gellenden Schrei des Adlers. Es
war ein Schrei aus höchster Not. Diejenigen, die sehr
nahe bei Bornheld standen, sahen ein rotes Feuerlicht,
das sich durch seinen Körper fraß. Axis zog Faraday zu
sich heran, um sie vor der Hitze und dem Feuerschein zu
bewahren. Die Vision fiel von ihr ab, und sie erkannte
jetzt endlich, wer sie da hielt. Axis hatte überlebt, während ihr Gemahl ausgestreckt am Boden lag.
Eine weiß-goldene Gestalt löste sich aus seiner
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