Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
Sigholt vorgefallen sein mochte.
»Belial«, wandte er sich jetzt an seinen Leutnant,
»sorgt Euch nicht zu sehr. Ich werde ebenfalls mitreiten.
Für Aschure dürfte es eine angenehme neue Erfahrung
sein, zur Abwechslung einmal mir Befehle zu erteilen. In
der Zwischenzeit habt Ihr hier in der Festung das Kommando. Magariz wird Euch wie gewohnt dabei unterstützen.«
»Ihr müßt den Verstand verloren haben«, erwiderte
Belial tonlos, »wenn Ihr wirklich Euer Leben und das
Eurer Soldaten für einen so hirnverbrannten Feldzug aufs
Spiel zu setzen gedenkt.«
»Belial, ich möchte feststellen, was die Skrälinge aus
Hsingard gemacht haben. Und ich brenne natürlich darauf,
noch mehr von unseren Feinden in die Hölle zu schicken.«
Der Krieger hatte seinen Adler in den letzten Wochen
mehrmals über der alten Hauptstadt Ichtars kreisen lassen
und durch dessen Augen erkannt, daß in dem Ort einige
merkwürdige Dinge passierten. Er sah Aschure an. Der
Einsatz würde sicher deutlich zeigen, wozu die junge
Frau in der Lage war.
»Aber diesmal laßt Ihr Caelum hier, Aschure. Wir reiten nicht auf eine gefahrlose Patrouille durch die Urqharthügel. Imibe kann sich um ihn kümmern.« Imibe
gehörte zu den Rabenbunderinnen, die zu ihnen gekommen waren. Sie hatte selbst gerade ein Kind bekommen
und genug Milch, um auch einen zweiten Säugling zu
stillen. Außerdem hatte sie sich bereits mehrfach zusammen mit Rivkah um den Kleinen gekümmert, meist dann,
wenn seine Eltern beide beschäftigt gewesen waren.
Die Sonne war schon aufgegangen, aber aufgrund der
tiefhängenden, dichten Wolken wirkte der Tag grau und
das Licht diffus. »Nun?« fragte Aschure leise. Sie hatte
sich das Haar zu einem Zopf gebunden und diesen um
ihren Kopf gewunden. Dazu trug sie das graue wollene
Langhemd mit der roten Sonne auf der Brust, das sie sich
wegen der Kälte bis oben zugeknöpft hatte, und dazu
eine weiße Hose. Den Wolfen hatte die Offizierin sich
über die Schulter gehängt, und auf dem Rücken befanden
sich zwei Köcher voller Pfeile. Axis vermutete, daß sie
dazu noch mehrere Messer verborgen am Körper trug.
Der Krieger blinzelte, und dann waren seine Augen
wieder klar. »Keine feindliche Bewegung. Der Adler hat
jedenfalls nichts dergleichen entdeckt.«
Aschure hielt die Ikarier noch zurück. Wenn die Vogelmenschen über Hsingard geflogen wären, hätten die
Skrälinge sicher sofort Verdacht geschöpft.
»Wahrscheinlich haben sie sich in den Trümmern verkrochen, in ihre Nester«, vermutete die junge Frau. Die
Alaunt lagen ruhig, aber wachsam zu beiden Seiten neben ihr.
Axis beobachte seine Liebste und wartete darauf, was
sie nun befehlen würde. Ihre Soldaten saßen zusammengekauert zwischen den Trümmern der einstigen großen
und prächtigen Zuflucht des Seneschalls, die sich am
Stadtrand befand.
»An ihrer Stelle hätte ich die Ruinen im Ortskern aufgesucht«, meinte Aschure, »weil man sich dort sicherer
fühlen kann.« Sie ließ den Blick über die Trümmer
schweifen, die einst die stolze Hauptstadt des Herzogtums gewesen waren. »Axis, setzt bitte Eure Zaubereraugen oder meinetwegen auch den Adler ein. Die große
Straße da vorn dürfte die sein, die nach Norden führt.
Stellt fest, ob sie blockiert ist oder ob wir ungehindert auf
ihr vorrücken können.«
Nur wenige in der Armee des Sternenmannes hatten
jemals Hsingard besucht, und auch Aschure mußte sich
vor allem auf Karten verlassen, um sich in dem Gewirr
zurechtzufinden. Wenn sie sich nicht täuschte, handelte
es sich bei dem breiten Weg vor ihr um eine der großen
Haupteinfallstraßen in die Stadt.
Der Krieger sandte seinen Schneeadler aus und erstattete ihr Bericht: Ȇberall liegen Schutt und Steine herum.
Je näher man dem Stadtzentrum kommt, desto mehr.
Aber zu Fuß sollte man eigentlich durchkommen.«
Die Befehlshaberin nickte. »Ausgezeichnet.« Sie
beugte sich zu Sicarius hinab, streichelte ihn und sprach
leise mit ihm. Der große Hund erhob sich, mit ihm vier
weitere Tiere, und gemeinsam sprangen sie über die
Mauerreste der Zuflucht in den Ort hinein.
Axis sah seine Liebste fragend an.
»Sie untersuchen die ersten Häuserzeilen und die Straßen dazwischen. Wenn sich dort nichts Verdächtiges
zeigt, marschiere ich mit meiner Truppe ein.«
Bereits kurze Zeit später entdeckte der Krieger den
Rudelführer, der aus den Ruinen zurückkehrte und nach
fünf oder sechs Schritten stehenblieb. Axis machte Aschure rasch darauf
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