Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
seinem Frontabschnitt fortgerufen,
obwohl er dort gerade die Verteidiger gegen einen besonders tückischen Angriff der Skrälinge befehligte.
Deswegen verwünschte er auch den Boten, der ihm den
Befehl Bornhelds überbracht hatte. »Trefft mich am
Westrand von Jervois. Unverzüglich!« lautete die Nachricht nur. Ja glaubte Seine Majestät denn, der Häuptling
verbringe den Nachmittag mit einem ruhigen Spaziergang an den Kanälen?
Aber er hatte sich auf den Weg gemacht und stand nun
vor den Früchten des königlichen Zorns. Drei seiner
Kämpfer hingen tot am Kreuz, und man sah ihnen an,
daß sie keines leichten oder raschen Todes gestorben
waren.
»Sie haben Verrat betrieben«, grollte Bornheld von
seinem Streitroß herunter. »Lügen und Falschheiten über
die Unaussprechlichen. So etwas dulde ich in meiner
Armee nicht!«
»Nein, offensichtlich nicht«, murmelte der Häuptling
und wandte den Blick nicht von den Toten ab.
»Widerwärtige Gerüchte verbreiten sich entlang der
Front. Bald werden die braven Soldaten noch die Lüge
glauben, die Unaussprechlichen seien zu unserer Unterstützung herbeigeflogen. Dabei sind sie doch in Wahrheit
nur darauf aus, uns zu vernichten!«
»Nein«, widersprach Ho’Demi noch einmal, aber der
Oberste Heerführer hörte ihm gar nicht zu. Gautier lief
mit einem Spieß von einem Gekreuzigten zum nächsten
und versetzte den nackten Körpern Stöße, um festzustellen, ob noch ein Funken Leben in ihm wäre. Enttäuscht,
daß er sie nicht mehr quälen konnte, schlitzte er schließlich dem dritten den Bauch auf.
»Nein«, sagte der Häuptling wieder, auch jetzt noch
sehr leise.
»Sie sind alle tot«, verkündete der Leutnant, »und sie
haben ganz schön lange dazu gebraucht.« Er stieß den
Spieß in den Boden und stieg wieder auf sein Pferd.
Bei der Großen Eisbärin, schwor der Häuptling sich,
ich werde Euer Leben nehmen im Tausch für diesen Verrat an der Prophezeiung. Und auch für die Ermordung
von drei ehrlichen Männern.
»Ich vermute einen größeren Verrat, Ho’Demi!« fuhr
Bornheld ihn schließlich von der Seite an. »Und ich argwöhne auch, daß Ihr hinter den ganzen Gerüchten
steckt!«
Der Häuptling drehte sich langsam zu dem König um.
»Ich habe keinerlei Verrat begangen, Herr.«
Bornhelds Lippen wurden in dem Maße schmal, wie
sich seine Züge röteten. »Ihr habt mir Treue geschworen,
rabenbundischer Barbar! Ihr habt es auf Euren Eid genommen, keinen Verrat zu begehen!«
»Und daran habe ich mich auch gehalten, Euer Majestät. Meinen Eid habe ich in keiner Weise gebrochen.«
Denn meine ganze Treue gehörte immer nur der Prophezeiung. Euch habe ich nur die Treue gehalten, solange Ihr
im Sinne der Prophezeiung gewirkt habt. Aber mit dieser
Tat hier habt Ihr Euch selbst als Verräter erwiesen.
Der König konnte nicht glauben, was dieser Barbar
gesagt hatte. Wollte er denn nicht einmal jetzt den Lügen
abschwören? »Zieht Eure Kämpfer von der Front ab,
Ho’Demi. Schickt sie in Euer Lager, denn ich bedarf
Eurer ›Hilfe‹ nicht mehr, um mein Reich zu verteidigen.«
Und das entspricht sogar der Wahrheit, dachte der
Häuptling, denn die Ikarier haben Euch ja die Arbeit
abgenommen. Jetzt vermögt Ihr die Front mit Euren eigenen Männern und den Söldnern zu halten. Da braucht
Ihr uns wirklich nicht mehr.
Aber er senkte höflich das Haupt. »Wie Ihr wünscht,
Euer Majestät. Die Rabenbunder werden in ihr Lager
zurückkehren.«
Ho’Demi warf noch einen Blick auf die drei Gekreuzigten, wendete dann sein Pferd und ritt davon.
Roland, der die ganze Zeit schweigend hinter dem
König auf seinem Roß gesessen hatte, setzte sich jetzt
ebenfalls in Bewegung und folgte dem Häuptling. »Ich
werde überprüfen, ob er auch Wort hält, Herr!« rief er
Bornheld zu und war auch schon fort.
Gautier sah den König fragend und nervös an. »Herr,
was unternehmen wir wegen der Rabenbunder. Sie haben
zwar starke Verluste in den Abwehrschlachten erlitten,
aber es sind ihrer noch zu viele, als daß wir sie bewachen
oder erschlagen könnten.«
»Spät heute nacht treffen acht Flußschiffe mit koroleanischen Söldnern ein. Und wie lautet ihr erster Befehl? Morgen in aller Frühe das Lager der Barbaren zu
umstellen, anzugreifen und alles niederzumachen. Die
Rabenbunder werden vorher bestimmt nicht gegen uns
die Waffen erheben. Außerdem werden sie von den Weibern und der Kinderschar in ihrem Lager behindert. Wartet nur ab, bald haben wir uns dieser Last ein
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