Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
für alle Mal
entledigt.«
Der König stand noch vor dem Morgengrauen auf, da er
den Überfall auf die Rabenbunder und das Gemetzel
persönlich inszenieren wollte. Als er aus seinem Bett
stieg und sich die Rüstung anlegte, fluchte er, weil sich
seine dicken Finger in den Platten verhedderten. Und
dann wurde ihm bewußt, daß heute etwas anders war.
Etwas Vertrautes fehlte.
Erst halb gerüstet und gegürtet hielt er inne und legte
der jungen Schönen eine Hand auf den Mund, die neben
ihm im Schlaf murmelte. Lange Zeit stand Bornheld so
da, bis ihm zu seinem Schrecken aufging, was diesem
Morgen fehlte.
Der Lärm. Die Geräusche. Keine Glöckchen, kein
Läuten weit und breit.
Als der Oberste Heerführer eine halbe Stunde später das
Lager der Rabenbunder erreichte, traf er dort die neuen
Söldner an, die den Ort lückenlos umstellt hatten. Getreu
seinem Befehl, aber vollkommen umsonst, denn das Lager war leer. Alles fort. Die Zelte. Die Glöckchen. Die
Ponys. Bis auf den letzten Mann und die letzte artorverwünschte Glocke hatten sich alle Barbaren aus dem
Staub gemacht! Und wie der König bald entdecken sollte, hatten sie sogar die drei Gekreuzigten mitgenommen.
»Was soll das bedeuten?« fuhr er Gautier an. »Was ist
hier passiert?«
Der Leutnant stand nur totenblaß da und schüttelte
langsam den Kopf. Mehrere Minuten lang brachte er
keinen Ton heraus. »Die Koroleaner haben das Lager
spät in der Nacht umstellt, Herr. Da schien hier noch
alles so wie immer zu sein. Zelte und Rabenbunder waren noch vorhanden … Aber heute in der Frühe, als wir
selbst anrückten … nichts mehr …« Er schüttelte noch
einmal den Kopf. Wie hatten die Barbaren so geräuschlos
so unsichtbar und vor allem so vollständig verschwinden
können?
In Jervois beugte sich Jorge wie jeden Morgen über
Rolands Bett, um festzustellen, ob sein alter Freund noch
lebte.
Aber das Bett war leer, der Herzog verschwunden.
11 D AS
S
KRÄLINGSNEST
»Aber so geht es! Ich weiß, daß ich es kann!« Aschures
Augen funkelten vor Aufregung. »Ihr habt doch selbst
die Berichte der ikarischen Aufklärer gehört.«
Axis warf einen Blick auf Belial und Magariz. Weitsicht befand sich zur Zeit mit den letzten vier Geschwadern in den südlichen Urqharthügeln und würde nicht vor
Ablauf der Woche zurückkehren.
Seit dem Verschwinden der Rabenbunder von Jervois
hatte der Krieger auch den Einsatz der Luftarmada dort
gekürzt. Die Ikarier hatten genug geleistet. Die Mehrzahl
der Eiswürmer war vernichtet und die Skrälinge hatten
empfindliche Schläge einstecken müssen. Mit den koroleanischen Söldnern standen Bornheld immer noch achtzehntausend Soldaten zur Verfügung, um seine
Stellungen bemannen zu können. Axis glaubte auch, daß
Gorgrael bei diesem Winterfeldzug seine Kräfte erschöpft hatte. Der Hungermond war angebrochen, der
letzte Wintermonat. In wenigen Wochen würde der Frühling kommen und mit ihm Versprechen, die weiter südlich eingehalten werden wollten.
Doch jetzt schlug Aschure einen Vernichtungsschlag
gegen die Geister vor.
»Ich weiß nicht recht«, meinte Belial und mied den
brennenden Blick der jungen Frau. »Lohnt diese Anstrengung denn überhaupt noch?«
»Ob sie sich lohnt?« schrie Aschure. »Was soll das
denn heißen? Ihr kennt die Berichte der ikarischen Späher genausogut wie ich! Uns bietet sich jetzt die einmalige Gelegenheit, Hsingard zu befreien!«
In den vergangenen Wochen, in denen die Geschwader der Luftarmada zwischen Jervois und Sigholt hin und
her geflogen waren, hatten viele Ikarier die Ruinen von
Hsingard aufgesucht, der ehemaligen Hauptstadt des
Herzogtums Ichtar. Die einst so stolze Stadt lag mittlerweile in Trümmern da. Geister und Eiswürmer hatten
auch noch das letzte Gebäude zerstört. Die Skrälinge
hausten jetzt in den Ruinen, nutzten den Ort vielleicht
sogar als ihr Hauptlager.
Die junge Frau wandte sich in ihrer Erregung wieder
an Axis: »Wir könnten dort sogar auf die Skräbolde stoßen. Oder das Nest der Greifen finden. Allein das müßte
doch jede Anstrengung rechtfertigen!«
»Aschure.« Magariz, der bis jetzt geschwiegen hatte,
meldete sich jetzt zu Wort. »Hsingard ist eine sehr große
Stadt. Unmöglich, mit einer solch kleinen Streitmacht
wie der unseren einen Ort von dieser Größe einzunehmen
und zu durchsuchen. In dieser Trümmerwüste finden sich
unzählige Verstecke. Wer weiß, ob die Geister uns dort
nicht in eine Falle locken. Axis, ich beschwöre
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