Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
führen. Als die junge Frau davor stehenblieb, stellte sich der Krieger hinter sie und legte ihr die Hände auf
die Schultern. Er selbst trug sein goldenes Langhemd und
eine Stoffhose, die im Ton zu dem Rot der Sonne auf
seiner Brust paßte. Im Kontrast dazu hatte Aschure ein
einfaches schwarzes, strenggeschnittenes Gewand angelegt, das ihre schlanke Figur betonte und die Aufmerksamkeit auf ihr feinknochiges Gesicht und die
ungewöhnlichen, rauchblauen Augen lenkte. Das Haar,
ebenso schwarz wie das Kleid, hatte sie zu einem komplizierten Knoten auf dem Kopf zusammengefaßt.
Axis lächelte ihrem Spiegelbild zu und griff in seine
Tasche. »Dru-Beorh macht mir immer Geschenke, die
mehr für Euch geeignet sind.«
Damit legte er ihr ein Paar schwerer Ohrringe aus geflochtenem dunklen Gold an. Zwei wunderschöne Goldtropfen, die den perfekten Rahmen für ihre lieblichen
Züge bildeten.
»Wir zwei sind schon ein elegantes Paar«, lächelte der
Sternenmann und beugte sich hinunter, um sie zu küssen.
Erst da bemerkte er, daß ihr die Tränen in den Augen
standen. »Was ist mit Euch? Warum diese Melancholie?«
»Weil ich nicht hierher und an Eure Seite gehöre«,
flüsterte die junge Frau. »Bald werdet Ihr Euren Feldzug
in den Süden beginnen und bis nach Karlon gelangen.
Dort, wo Eure Königin wartet.«
Axis erstarrte sichtlich. Aschure und er waren diesem
Thema immer wieder ausgewichen, dabei stand Faraday
ständig unsichtbar zwischen ihnen.
»Ich weiß, daß Ihr Euch mit Herzog Roland und mit
Ho’Demi über sie unterhalten habt«, fuhr die junge Frau
fort, fest entschlossen, weiterzusprechen. »Das, was Ihr
hier seht«, sie deutete auf ihrer beider Bild im Spiegel,
»ist nichts als Schein. Alles, was wir gemeinsam haben,
besitzt soviel Substanz wie ein Spiegelbild im Wasser –
und vergeht genauso rasch.«
Der Griff seiner Hände auf ihren Schultern wurde härter, woraus sie erkannte, daß sie ihn verärgert hatte. »Mit
dem, was ich Euch in Hsingard gesagt habe«, entgegnete
er, »war es mir vollkommen ernst. Ich liebe Euch. Ihr
seid kein Ersatz, der mir das Bett wärmt, bis ich Faraday
wiederhabe. Liebt Ihr mich denn auch, oder wollt Ihr mir
auf diese Weise beibringen, daß Ihr mich verlassen werdet?«
»Ihr wißt genau, daß ich Euch liebe.« Aschure mußte
sich sehr zusammenreißen, damit ihr die Stimme nicht
versagte. »Aber ich werde Euch wohl verlassen müssen,
sobald wir Karlon erreicht haben. Jeden Tag nagen
Schuldgefühle wegen Faraday an mir. Und Euch plagt
doch sicher auch das Gewissen, oder etwa nicht?«
»Ob mir mein Gewissen zu schaffen macht? Ja, gut
möglich. Ob ich an Faraday denke? Sicher, das will ich
gar nicht abstreiten. Und in gewisser Weise liebe ich sie
auch heute noch. Aber Tag für Tag wächst meine Liebe
zu Euch und schwächt meine Gefühle für die Königin ab.
Alle drei stecken wir doch nun einmal im gnadenlosen
Griff dieser verwünschten Prophezeiung. Sie spielt mit
uns, benutzt uns und läßt uns keinen eigenen Willen
mehr. Dennoch können Ihr und ich nicht die Magie
bestreiten, die in der Belitidennacht über uns kam …
oder der fortgesetzte Zauber jeder neuen Nacht. Und wir
können gewiß nicht über das Kind hinwegsehen, das ein
Band zwischen uns geknüpft hat.« Seine Stimme nahm
einen härteren Klang an. »Komme, was mag, ich werde
Euch nicht gehenlassen. Noch verlieren. Noch vergessen.« Seine Hände glitten zu ihrer Taille hinab. Er zog
ihren Rücken an seine Brust.
Die junge Frau holte tief Luft. »Trotzdem werdet Ihr
Faraday heiraten.«
»Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. So wie die
Prophezeiung Faraday gezwungen hat, Bornheld zu ehelichen, gebietet sie auch mir, Faraday zu freien. Steht
nicht in der Weissagung geschrieben, daß sie mit dem
Mann im Bett liegen wird, der ihren Gemahl ermordete?
Davon abgesehen brauche ich ihre Unterstützung, damit
mir ihre Bäume gewogen sind.«
»Dann muß ich gehen …«
»Nein!« rief der Krieger und hielt sie fester. »Ich lasse
Euch nicht gehen. Faraday ist eine kultivierte Adlige und
kennt sich bei Hof aus. Ohne Zweifel hält Bornheld sich
seine Mätressen …«
»Niemals!« schrie Aschure und versuchte, sich von
ihm zu befreien. Aber er ließ nicht locker.
»Bleibt bei mir. Tanzt mit mir. Werdet meine Geliebte. Faraday wird das sicher hinnehmen.«
Die junge Frau schloß die Augen. Mätresse, Kurtisane,
Konkubine. Nein, es gab keine Möglichkeit, die bittere
Wahrheit angenehmer
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