Der Sternenkavalier
verhext.“
Während As und der Alte sich über diese und andere Gegenstände unterhielten, bereitete eine der Frauen das Abendbrot. Sie stellte einen riesigen Eisentiegel auf den Herd, um Pilze darin zu schmoren. Indessen wurde ein Korb mit frischem, scharfkrustigem Bauernbrot auf den Tisch gestellt, und als Getränk gab es Buttermilch. Vorweg und zwischendurch wurde ein Schluck scharfer Schnaps getrunken. Eto und As nahmen am Tische Platz, und auch der Großvater stieg aus der Wanne und setzte sich hinzu.
Das Mahl wurde von einer leichten Plauderei begleitet, bei welcher Gelegenheit die beiden Sternenfahrer mit Interesse, aber ohne große Neugier nach ihrem Herkommen und ihren weiteren Vorhaben gefragt wurden, während Eto sich seinerseits nach dem Befinden der hiesiger Menschheit erkundigte.
„Hier leben alle ungefähr so, wie ihr es in diesem Hause findet“, antwortete die ältere Frau. „Bei uns lebt niemand allein, und bei uns stirbt niemand allein.“
„Das will etwas besagen“, meinte Eto. „Eine Mutter“, sagte die Frau, „hat ein Recht darauf, in den Armen ihrer Kinder zu sterben. Wenn Sie das verstehen.“
„Ich glaube schon“, sagte Eto.
„Wer allein stirbt“, sprach die Frau weiter, „stirbt in dem Gefühl, umsonst gelebt zu haben. Wer hingegen in den Armen seiner Angehörigen stirbt, der weiß, daß etwas von ihm bleibt. Gerade so, als ob seine Seele während des Hinüberschiummerns den sterblichen Körper verläßt und in die ihn Umarmenden eingeht, um in diesen fortzuleben.“
„Das erklärt, weshalb ihr hier in großen Familien lebt“, meinte Eto.
„Eine kleine Familie“, erwiderte die Frau, „ist in ihrer Zusammensetzung zu sehr vom Zufall bestimmt. In einer großen Familie fehlt es an nichts; alle Altersstufen sind mehrfach vertreten und mit ihnen auch alle erforderlichen Fähigkeiten für ein harmonisches und geselliges Zusammenleben. Kindergärten brauchen wir auch nicht, es ist ja stets jemand da, der auf die Kleinen aufpaßt. Und ihre vernünftige Erziehung ist auch gesichert. In einer kleinen Familie übernehmen allein die Eltern diese Aufgabe. Und wenn sie dafür nicht geeignet sind, wird das Kind schlecht erzogen. Das kann in einer großen Familie nicht Vorkommen, da findet sich immer jemand, der die fehlende Befähigung des anderen ausgleicht.“
„Das alles hört sich gut an“, meinte Eto, „ich frage mich nur, ob der Vorteil einer großen Familie nicht auch einen Nachteil mit sich bringt. Da sie sich in sich selbst genügt, braucht sie niemand anderen, was zu einer Isolierung von der Gesellschaft als
Ganzes führen kann.“
„Die Isolierung“, erklärte die Frau, „ist kein Familienproblem. Wenn die Gesellschaft in Ordnung ist, hat niemand das Bedürfnis, sich von ihr zu isolieren, vor ihr im Kreise der Familie Schutz zu suchen.“ „Und von welcher Ordnung“, wollte Eto wissen, „muß die Gesellschaft sein, um sich nicht von ihr isolieren zu wollen?“
„Wir haben die Verwaltung des Menschen durch den Menschen abgeschafft. Da niemandem vorgeschrieben wird, wie er zu leben hat, kann jeder nach seinen Bedürfnissen leben.“
„Das kann er aber nur“, warf Eto ein,
„wenn sein Leben nicht durch das Maß seiner Arbeitsleistung bestimmt wird.“ „Andernfalls“, bestätigte die Frau, „würde noch immer eine Verwaltung des Menschen durch den Menschen statthaben. Solange die Gesellschaft verfügt, was der einzelne bekommt, so lange bestimmt sie auch über die
Form seines Lebens.“
„Abgesehen davon“, sagte Eto, „bleiben noch immer die Gesetze der Moral. Indem die Gesellschaft für die Einhaltung dieser Gesetze sorgt, übt sie doch auch eine Art von Verwaltung aus.“
„Ganz recht“, sagte die Frau, „und deshalb haben wir auch die Moral abgeschafft.“ „Wie“, rief Eto, „ihr seid hier an keinerlei moralische Pflichten gebunden?“
Die Tischrunde mußte über Etos Entsetzen herzlich lachen.
„Wir werden euch schon nicht umbringen“, meinte der Großvater. „Aber nicht deshalb, weil uns ein moralisches Gesetz daran hindert, sondern weil wir keine Ursache dazu haben. Und das ist eine sicherere Gewähr.“
„Das mag sein“, gestand Eto zu, „immerhin würde ich mich wohler fühlen, wenn ich euch an ein moralisches Gesetz gebunden wüßte. Wir hatten auf der Geo einen Philosophen, der die moralischen Gesetze so hochschätzte, daß er nur diejenigen Handlungen als moralisch anerkannte, die allein der Achtung vor diesen
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