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Der Sternenkavalier

Titel: Der Sternenkavalier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Branstner
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Gesetzen entsprangen, während er einer Handlung aus bloßer Neigung alle Moralität absprach. Und dieser Philosoph war immerhin ein Genie. Allerdings“, setzte Eto hinzu, „trat dem philosophischen sogleich ein dichterisches Genie entgegen und erklärte, daß uns, wenn aus Neigung zu handeln nicht moralisch sei, nichts anderes übrigbleibe, als unsere Freunde zu verachten, denn nur dann könnten wir ihnen, ohne Neigung und allein der Pflicht gehorchend, Gutes tun. Damit wollte der Dichter die Auffassung des Philosophen, daß Neigung und Moral einander ausschließen, verspotten.“
    „Womit der Dichter“, entgegnete die Frau, „nur sein denkerisches Unvermögen offenbart hat. Neigung und Moral schließen sich ihrer Natur nach tatsächlich aus, allerdings hat der Philosoph das Verhältnis auf den Kopf gestellt, denn in Wahrheit steht die Neigung über der Pflicht. Wo es an Neigung mangelt und man sich nicht auf sie verlassen darf, kann es allerdings zu dem Irrtum kommen, die Pflicht über die Neigung zu stellen.“
    „Demnach“, versicherte sich Eto, „sehen Sie die Pflicht nur als einen Ersatz für die nicht vorhandene Neigung an?“
    „So ist es“, bestätigte die Frau. „Sobald die Menschen aus Neigung das Richtige tun, wäre es nicht nur überflüssig, sondern geradezu beleidigend, sie durch moralische Gesetze dazu zu verpflichten. Mit den Gesetzen der Moral haben wir aber auch die letzte Form der Gleichmacherei hinter uns gelassen. Diese Gesetze, wollen sie nicht willkürlich erscheinen, müssen für alle gleich gültig sein, was bedeutet, daß alle dem gleichen Maße unterworfen werden.“
    „So gesehen“, gestand Eto, „steht die Neigung in ihrem menschlichen Werte tatsächlich weit über der Pflicht. Bleibt nur die Frage, worin die Neigungen ihr inneres Kriterium haben. Ohne ein solches Kriterium hätten wir doch wiederum nichts als Willkür.“
    „Neigung“, erklärte die Frau, „ist im Gegensatz zur Pflicht, die uns von außen auferlegt wird, eine Äußerung unseres Wesens, und die wesentliche Eigenschaft der hier lebenden Menschen ist die Verläßlichkeit. Sie ist das aller Neigung innewohnende Kriterium. Hier können Sie sich auf jeden Menschen verlassen wie auf sich selbst. Ich könnte zum Beispiel mitten in der Nacht zu einem mir wildfremden Menschen gehen, ihn aus dem Schlaf reißen und darum bitten, einen mühevollen Auftrag für mich zu erledigen. Er würde es sogleich tun.“
    „Ohne zu fragen, ob das nicht auch bis zum Morgen Zeit hat?“
    „Ohne zu fragen, denn er verläßt sich ja auch auf mich. Daher überläßt er auch mir die Entscheidung darüber, ob und in welcher, Form ich seine Hilfe brauche. Wo keiner den anderen ausnützen oder täuschen will, versucht auch keiner, sich davor zu schützen.“
    „Verläßlichkeit ist etwas Schönes“, bekannte Eto.
    „Wir können uns ein Leben ohne sie nicht vorstellen“, sagte die Frau. „Wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie finden, daß alle Mißhelligkeiten in den Beziehungen zwischen Menschen letzten Endes auf den Mangel an Verläßlichkeit zurückzuführen sind. Sie ist das Elementare, auf ihr fußt alles andere, wie Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme, Verständnis, Redlichkeit, Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Anstand und dergleichen. Vor allem aber bewirkt die Verläßlichkeit die gegenseitige Wertschätzung des Menschen, wodurch die Überbewertung äußerer Dinge behoben wird. Die Beziehungen zwischen den Menschen können jetzt ihren ganzen Reichtum entfalten und zum Hauptinhalt des Lebens werden. Die Menschen haben sich etwas zu sagen und bedürfen keiner äußerlichen, künstlichen Mittel der Unterhaltung. Die Verläßlichkeit, einmal grundlegendes Verhältnis der Menschen geworden, erhebt ihr gesellschaftliches Wesen zum geselligen Wesen. Ihren Ursprung aber hat die Verläßlichkeit nicht in der moralischen Pflicht, sondern in der Neigung.“
    „Ich werde die Probe darauf machen“, sagte Eto, „gleich morgen früh werde ich mich auf den Weg machen und den ersten, dem ich begegne, auf seine Verläßlichkeit prüfen. Für heute aber möchte ich noch eines erfahren, nämlich wie es kommt, daß Sie wie ein Wissenschaftler über derartige Gegenstände zu sprechen verstehen. Ich hätte das nicht in Ihnen vermutet.“
    „Wir gehen hierzulande zeit unseres Lebens zur Schule“, erklärte die Frau, „auf diese Weise erlangt jeder die Fähigkeit, theoretische Fragen ordentlich zu behandeln.“
    „Und wann arbeitet

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