Der Sternenwald
wich zurück, verließ den Raum und ging beschwingt fort.
Als sein Sohn gegangen war, winkte der Weise Imperator den Leibwächter heran. »Nehmen Sie dies und zerstören Sie es. Stellen Sie sicher, dass Jora’h keine Nachricht nach Theroc schicken kann.«
Bron’n griff mit einer Klauenhand nach der Diamantfilm-Plakette und bewies seine Kraft, indem er sie zerbrach. Die Bruchstücke wollte er im Feuer eines Reaktors beseitigen. »Ja, Herr. Ich verstehe.«
5 NIRA KHALI
Nira stand im Zuchtlager von Dobro, in dem hunderte von anderen menschlichen Testobjekten untergebracht waren, und blickte durch den dünnen Zaun. Eigentlich dienten die Zäune nur dazu, Grenzen zu markieren. Sie waren kaum mehr als eine Annehmlichkeit für die Wächter, denn eine Flucht kam für die Gefangenen ohnehin nicht infrage. Wohin hätten sie auch fliehen sollen?
Gesäumt von Bergen im Osten und grasbewachsenen Hügeln im Westen befand sich das Lager in einem zentralen Tal mit ausgetrockneten Seen und ödem Terrain. Erosionsrinnen durchzogen den Boden, vom Regen ausgewaschen. Sie erweckten den Eindruck, als wäre die Haut der Welt zu sehr gedehnt worden und dadurch gerissen.
Seit fünf Jahren war Nira Gefangene des Ildiranischen Reiches, und während dieser Zeit hatte sie es geschafft, an ihrem inneren Selbst festzuhalten und am Leben zu bleiben, trotz der schrecklichen Dinge, die sie über sich ergehen lassen musste. Weder die Wächter im Lager noch die ildiranischen Aufseher antworteten ihr auf die Frage, warum man ihr dies alles antat.
Ihr Geliebter Jora’h wusste vermutlich nichts von ihrer Situation. Mit einem einzigen Befehl hätte er Nira und alle anderen Gefangenen befreien können. An einer so horrenden Sache konnte er unmöglich teilhaben – dazu war er zu sanft und mitfühlend. Daran glaubte Nira ganz fest. Wusste Jora’h überhaupt, dass sie noch lebte?
Sie bezweifelt es. Der ahnungslose Erstdesignierte war nach Theroc geschickt worden – damit er meine Entführung nicht verhindern konnte. Bestimmt hatte der Weise Imperator alles vor seinem Sohn geheim gehalten, obgleich Nira von Jora’h schwanger gewesen war.
Der Dobro-Designierte, zweiter Sohn des Weisen Imperators, benutzte die gefangenen Menschen für genetische Experimente. Aus irgendeinem Grund hielt der Designierte Udru’h Nira für besonders viel versprechend und deshalb musste sie noch mehr leiden als die anderen.
Nach der Geburt einer gesunden, wunderschönen Mischlingstochter namens Osira’h – meine kleine Prinzessin – hatte der Dobro-Designierte Nira im Lager festgehalten und ließ sie immer wieder schwängern, wie eine Zuchtstute…
Sie kniete nun am Rand des Lagers und lockerte mit einem einfachen Werkzeug den Boden bei einigen von ihr angepflanzten wilden Sträuchern und Blumen. Wenn sie Gelegenheit dazu fand, kümmerte sie sich um alle Pflanzen, die sie finden konnte, bewässerte sie und half ihnen, in der kargen Umgebung zu gedeihen. Selbst die kleinsten grünen Flecken erinnerten sie an den üppigen Wald von Theroc. Zwar war Nira von den Weltbäumen und dem intelligenten Wald getrennt, aber sie blieb eine grüne Priesterin und vergaß nie ihre Pflichten.
Ihre grüne Haut absorbierte das Sonnenlicht und verwandelte es in Energie, doch das Licht von Dobros Sonne fühlte sich schwach an, wie kontaminiert von der dunklen Geschichte dieses Ortes. Nira sah auf und versuchte abzuschätzen, wie viel Zeit ihr noch blieb, bis die nächste Arbeitsschicht in den Gräben begann.
Das Zuchtlager bestand aus Baracken, auf Geburten spezialisierten Hospitälern, Laboratorien und Wohnkomplexen. Die meisten Gefangenen kannten gar kein anderes Leben. Nira bemerkte einen hageren Mann im Gespräch mit einem anderen – er lachte, schien sich seiner Situation überhaupt nicht bewusst zu sein. Menschliche Kinder – Nachkommen der für die Zucht verwendeten Gefangenen – spielten selbst an diesem trostlosen Ort. Der Dobro-Designierte bestand auf einer permanenten Erneuerung der reinblütigen Nachkommen, um die genetische Vielfalt des »Zuchtmaterials« zu erhalten. Aber Nira gewann den Eindruck, dass diese Menschen im Lauf von weniger als zweihundert Jahren ihren Willen verloren hatten.
Sie behandelten Nira noch immer wie etwas Neues, obwohl sie schon seit fünf Jahren bei ihnen weilte. Man sah etwas Exzentrisches und Sonderbares in ihr, so etwas wie einen Unruhestifter. Wenigsten starrten die Leute jetzt nicht mehr auf ihre grüne Haut – so etwas hatten sie
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