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Der Sternenwald

Der Sternenwald

Titel: Der Sternenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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Flüssigkeit im durchsichtigen, zylindrischen Tank.
    Er nahm eine Wasserprobe aus dem Behälter und führte im diagnostischen Laboratorium des Schiffes eine detaillierte Analyse durch. Zweimal kontrollierte er die Ergebnisse, wiederholte die Analyse dann noch einmal. Als Mitglied des Tamblyn-Clans wusste er bestens über die Gewinnung und Reinheit von Wasser Bescheid. In chemischer Hinsicht war die Substanz nichts anderes als reines Wasser, Molekül für Molekül aus der kosmischen Wolke gewonnen.
    Auf der Suche nach Bestätigung schickte Jess den anderen Nebelseglern eine kurze Nachricht: Er fragte sie, ob jemand anders Ungewöhnliches in Bezug auf das gesammelte Wasser erlebt hatte. Die Kom-Signale waren wie eine Flaschenpost im Meer und Jess wusste, dass er erst in einigen Tagen mit Antwort rechnen durfte.
    Schließlich erfuhr er, dass die anderen Roamer weder dem Wasserdampf noch den anderen Elementen im Gas Beachtung schenkten. Ihr Interesse galt allein dem Wasserstoff, der zu Ekti verarbeitet wurde.
    Jess’ Argwohn nahm zu und in ihm verdichtete sich die Vermutung, dass die seltsame Flüssigkeit… ungewöhnlich war. Wenn er neben dem Tank stand, regten sich sonderbare Gefühle in ihm. Nachdenklich beobachtete er das vollkommen transparente Wasser; weder Luftblasen noch irgendwelche Verunreinigungen zeigten sich darin.
    Die Flüssigkeit schien zu glühen, irgendetwas Unmessbares zu enthalten.
    »Was ist das?«, fragte er.
    Als die Destillatoren dem Tank noch mehr Wasser aus der Gaswolke hinzufügten, begann es zu schimmern und zu wogen. Offenbar konzentrierte sich hier eine Essenz, die jetzt wiedergewonnen wurde, nachdem sie in der Leere zwischen den Sternen verstreut gewesen war.
    Wenn Jess den Aberglauben vieler Roamer geteilt hätte, wäre er vielleicht bereit gewesen, das Nebelwasser für besessen zu halten.
    Er ging dicht neben dem Tank in die Hocke, berührte die gewölbten Wände und fühlte eine Wärme, die eigentlich gar nicht existieren sollte. Aufregung erfüllte ihn, das ließ sich nicht leugnen – die glühende Flüssigkeit war kein einfaches Wasser, sondern viel mehr. Sie schien auf eine rätselhafte Weise lebendig zu sein.
    Und während der Segler seinen Flug fortsetzte und durch den Nebel glitt, begann Jess Tamblyn, mit der Flüssigkeit zu kommunizieren.

72 BASIL WENZESLAS
    Der Vorsitzende der Hanse stand an der Spitze seiner Welt. Er hielt die Fäden in der Hand, traf alle wichtigen Entscheidungen, gebot über Reichtum und Ressourcen von achtundsechzig weit entfernten, locker miteinander verbündeten Planeten.
    Und doch fühlte er sich machtlos. Manchmal war die pure, unverfälschte Wahrheit – ohne irgendwelche Verschönerungen, ohne hier Negatives wegzunehmen und dort Positives hinzuzufügen – zu viel für die Menschen.
    In der Stille seiner Penthouse-Suite blickte er aus den breiten Fenstern und trank Kardamomkaffee. Der Sonnenuntergang breitete seine goldenen Strahlen über den Palastdistrikt. Der Flüsterpalast schien mit flüssiger Bronze bespritzt zu sein. Die Fackeln auf Kuppeln und Brückenpfeilern wirkten wie helle Augen. Diesmal schien das verblassende Licht des Tages eine allzu symbolische Bedeutung zu haben und Basil fühlte sich davon deprimiert.
    Die sorgfältigen Analysen der von ihm ausgewählten Experten ließen keinen Platz für Zweifel: Die Hanse war zum Untergang verurteilt und würde bald ihr Ende erleben, wenn es nicht zu einer drastischen Veränderung kam.
    Basil wollte die länger werdenden Zwielichtschatten nicht sehen und wandte sich von den Fenstern ab. Wie konnte er alles zusammenhalten? Ein schweres Gewicht schien auf ihm zu lasten, ihn zermalmen zu wollen. Er trank den restlichen Kaffee, genoss den scharfen Nachgeschmack auf der Zunge und kehrte zum kristallenen Tisch zurück, auf dem keine Dokumente mehr lagen.
    Malcolm Stannis, einer der früheren Vorsitzenden der Hanse, hatte es in seinen posthum veröffentlichten Memoiren auf den Punkt gebracht: »Geschäft ist Krieg und Krieg ist ein Geschäft.«
    Ein in die Tischfläche integrierter dünner Film erhellte sich und zeigte mehrere Bildschirmfenster. Basil sah statistische Projektionen, Karten besiedelter Welten, Ressourcenverteilung von Nahrungs- und Transportmitteln sowie Luxusgütern. Ein Blick auf die Displays genügte, um die allgemeine Situation der Terranischen Hanse zu erkennen, und es sah nicht gut aus.
    Einigen Kolonien ging es schlechter als anderen. In den vergangenen Jahrzehnten hatten sich

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