Der Sternenwald
Bäume zu ducken und zu schaudern. Reynald spürte, wie Grauen und Verzweiflung durch die Reihen der grünen Priester wogte – er fühlte es bis ins Mark.
»Vater Reynald!«, rief der junge grüne Priester. »Die Hydroger greifen Corvus Landing an.«
Die alte Lia – zusammen mit Uthair befand sie sich im Empfangsraum, um Reynald in Hinsicht auf die bevorstehende Hochzeit zu beraten – stand auf und brachte mit brüchiger Stimme hervor: »Beneto ist auf Corvus Landing!«
Reynald war mit einem Satz auf den Beinen und trat dem grünen Priester entgegen.
»Beneto schickt uns Mitteilungen durch den Telkontakt«, sagte der junge Mann und kämpfte gegen die Panik an. »Wo ist ein Schössling? Ich muss…« Er hastete zum kleinen Weltbaum im verzierten Topf, der neben einem leeren, für Cesca Peroni reservierten Stuhl stand. Der Priester berührte den Schössling, schloss die Augen, riss sie wieder auf und sah Reynald an.
»Ihr Bruder berichtet, dass die Hydroger die landwirtschaftlichen Bereiche des Planeten zerstören. Sie benutzen Kältewellen und blaue Energiestrahlen.« Der junge grüne Priester legte nur kurze Pausen ein, um nach Luft zu schnappen, als er von der Drohung des Gesandten erzählte, die nicht nur den Weltbäumen galt, den Verdani, sondern auch der Menschheit.
»Wie können wir Beneto helfen?«, fragte Reynald. »Und den übrigen Bewohnern von Corvus Landing? Sie sind alle in schrecklicher Gefahr.«
»Der ganze Weltwald ist in Gefahr!« Der Priester schloss erneut die Augen. »Benetos Bäume haben sich zur Wehr gesetzt und den Gesandten der Hydroger getötet. Doch das reicht nicht… es ist bei weitem nicht genug.«
Draußen, im dichten theronischen Wald, riefen zahlreiche grüne Priester anderen Theronen die Nachrichten zu, während sie die Stämme der Weltbäume berührten und per Telkontakt weitere Mitteilungen von Beneto empfingen. Arbeiter kletterten an den Ernteranken herunter. Teenager surrten mit ihren zusammengebastelten Flugapparaten hin und her, erzählten anderen, was sie von den Geschehnissen wussten. Die Aufmerksamkeit aller Theronen war geweckt, aber sie konnten nichts für den fernen Ableger des Weltwaldes und Beneto tun.
Reynald fühlte die Bestürzung im Wald. In allen Siedlungen auf Theroc, von den Spiegelseen bis hin zur Küste, reagierten grüne Priester auf die gleiche Weise.
»Die Hydroger haben gerade Colony Town zerstört! Alles liegt in Trümmern. Jetzt greifen sie den Hain der Weltbäume an. Der Feind sucht Theroc, die Reste des Weltwaldes.«
Auch die neunzehn grünen Priester, die sich freiwillig zum Dienst in der TVF gemeldet hatten, empfingen Benetos Berichte und gaben sie ans Militär der Hanse weiter. Seine Schwestern Estarra und Sarein würden die Neuigkeiten vom grünen Priester im Flüsterpalast erfahren.
Idriss und Alexa kamen zusammen in den Thronraum, von all dem Durcheinander verwirrt. »Was ist los? Was passiert?« Celli, Reynalds jüngste Schwester, traf ebenfalls ein. Sie lächelte, aber ihr Gesichtsausdruck veränderte sich sofort, als sie den Ernst der anderen bemerkte.
»Beneto«, sagte Reynald. Die Worte blieben ihm im Hals stecken. »Die Hydroger…« Er brachte nicht mehr hervor.
Der junge grüne Priester berührte den Schössling und blieb im Telkontakt. »Oh, jetzt zerstören die Hydroger den Hain! Die Bäume!« Er stöhnte schmerzerfüllt.
»Beneto lebt noch. Die Weltbäume sterben. Solche Kälte… Nichts kann ihr widerstehen. Die Bäume können nicht entkommen. Der Feind setzt den Angriff fort. Zehn weitere Weltbäume sind tot… dreißig. Es ist ein Gemetzel! Beneto schickt noch immer seine Gedanken, aber die Hydroger haben ihn fast erreicht. Er sagt…«
Die Hand des jungen Priesters zuckte fort vom Schössling und er schrie auf. »Weißes Lodern… füllt mein Selbst!« Er presste sich die Hände an die Schläfen und stöhnte erneut.
Idriss und Alexa wechselten einen schockierten Blick. »Beneto?«
Die alte Lia begann zu schluchzen und Uthair nahm ihren Arm, um Trost zu spenden und zu empfangen. Reynald schloss die Hand um Cellis Schulter; er fühlte sich wie betäubt. Corvus Landing war so weit entfernt.
Der junge grüne Priester ließ die Hände sinken und starrte so auf sie hinab, als wären sie verbrannt. Dann sah er zum Schössling, als wollte er feststellen, ob der kleine Weltenbaum Schaden genommen hatte.
»Beneto ist tot. Ebenso alle Bäume des Hains. Ganz Corvus Landing ist zerstört.« Der grüne Priester schauderte.
Weitere Kostenlose Bücher