Der Sternenwald
Umarmung vereint.
Reynald beobachtete das über ihm stattfindende Duell, den Kampf zwischen Hitze und Kälte. Offenbar brachte er beiden Kämpfenden das Ende, denn das Kugelschiff der Hydroger und der Feuerball der Faeros fielen Reynald und den grünen Priestern entgegen.
Reynald stieß einen erschrockenen Schrei aus und versuchte, zur Seite zu springen – zu spät. Die riesige kristallene Kugel und das flammende ovoide Objekt stürzten ins Blätterdach und zerfetzten den oberen Bereich des Waldes.
Es blieb Reynald gerade noch Zeit genug, die Hände vor die Augen zu heben. Donnernde Flammen und schimmernde Eiswellen brachten ihm und allen Bäumen in der Nähe den Tod, hinterließen eine Zone der Zerstörung.
Eine Stunde lang tobte der Kampf, dann gelang es den Faeros, die Hydroger zurückzutreiben. Die Kugelschiffe, die nicht in den Wald gestürzt waren, zogen sich ins All zurück.
Die Überlebenden auf Theroc sahen durch den Rauch zum Himmel empor und beobachteten, wie auch die Faeros den Planeten verließen. Sie hatten die Hydroger besiegt, aber einen großen Teil des Weltwaldes in Brand gesetzt.
Der Krieg war gerade noch schlimmer geworden.
129 WEISER IMPERATOR JORA’H
Musiker des Prismapalastes hämmerten auf Trommeln und es klang nach dem Grollen eines Unwetters. Andere spielten auf seltsamen Instrumenten und fügten dem dumpfen Donnern erbauende, aber auch kummervolle Melodien hinzu, die die Trauer um den Verlust des Weisen Imperators Cyroc’h mit der Freude über den Amtsantritt von Jora’h verbanden. Die talentiertesten ildiranischen Sänger standen zusammen und erhoben ihre Stimmen zu einem wehklagenden Gesang, der die Herzen der Zuhörer berührte.
Jora’h trat einen weiteren Schritt vor und spürte dabei, wie ein Schmerz tief in seinem Innern intensiver wurde. Die Vergangenheit umgab ihn, voller Erinnerungen und verlorener Gelegenheiten. Und die Zukunft lud ihm eine Bürde aus zu vielen unbeantworteten Fragen auf.
In wenigen Momenten, mit der Vollendung der Zeremonie, ging die Zeit von Sex und Romantik zu Ende. Doch Jora’hs Sehnsucht nach Nira konnte nicht vom silbernen Messer des Arztes eliminiert werden. Er fragte sich, ob irgendein Weiser Imperator vor ihm verliebt gewesen war. Voller Entschiedenheit beschloss er, dass sich nicht alles ändern würde. Nicht alles.
Er hatte nach Dobro fliegen und Nira retten wollen, doch das kam nicht infrage, solange das ildiranische Volk der Panik nahe war und ein neues Oberhaupt brauchte. Zuerst musste er die Nachfolge seines Vaters antreten.
Aber nachher…
Stämmige Leibwächter begleiteten ihn auf seinem langsamen Weg in den Palast, bei dem ihn zahllose Zuschauer beobachteten. Die Trommeln dröhnten lauter, im Takt von Jora’hs Herzschlag. Fackelartige Glänzer schufen bunte Lichter, und die kristallenen Wände reflektierten sie.
Jora’h stieg die Treppe zum Podium unter der großen, mit Vögeln und Pflanzen gefüllten Himmelssphäre hoch. Weit oben hing eine Dunstwolke über der Säule aus Licht; Cyroc’hs wohlwollendes Gesicht blickte jetzt nicht mehr auf die Bittsteller im Empfangssaal hinab.
Bald würden dort die Züge des Weisen Imperators Jora’h erscheinen.
Ein Priester des Linsen-Geschlechts stand allein auf der gegenüberliegenden Seite des Podiums. Drei Ildiraner des Mediziner-Geschlechts bildeten ein Dreieck um den leeren Chrysalissessel, gekleidet in makellose weiße und silberne Umhänge. Auf einem nahen Tisch lagen ihre Instrumente – die rasiermesserscharfen Klingen blitzten im Licht. Jora’h sah kurz auf die medizinischen Werkzeuge, richtete den Blick dann nach vorn und konzentrierte sich.
Jeder Mann im Ildiranischen Reich hatte sich unmittelbar nach dem Tod des Weisen Imperators das Haar abgeschnitten, mit Ausnahme von Jora’h, dessen Haar jetzt zuckte. Während der Jahre seiner Herrschaft würde es wachsen und schließlich einen langen, seilartigen Zopf bilden, so wie bei seinem Vater.
Jora’h trat auf die Plattform und blieb stehen. Er straffte die Schultern, sah dann zur Himmelssphäre empor. Der Sonnenschein glitzerte in seinen Augen, aber er konnte das Thism und die Seelenfäden der Lichtquelle nicht sehen. Bald…
Er zwang sich zur Ruhe. Das ganze Reich schaute auf ihn.
Das Publikum im Saal beobachtete die Vorgänge mit Sorge und Hoffnung. Aufruhr herrschte auf Ildira und in allen Splitter-Kolonien. Die Ildiraner fühlten sich verloren ohne das telepathische Sicherheitsnetz, das sie alle miteinander verband.
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