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Der Sternenwald

Der Sternenwald

Titel: Der Sternenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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klar: Indem er sie laut aussprach, wurde alles real und unvermeidlich.
    Jess beobachtete, wie Cesca nach vernünftigen Gegenargumenten suchte, nach einer Möglichkeit, Reynalds Heiratsantrag abzulehnen. Er hob die Hand. Sein Herz wetterte gegen die eigenen Worte, aber der Verstand zwang ihn, sie auszusprechen. »Muss ich dich daran erinnern, wie oft du mich darauf hingewiesen hast, dass wir unserem Leben eine Bestimmung geben müssen, die über uns selbst hinausgeht? Wenn es uns nicht um das Wohl unseres Volkes ginge, hätten wir schon vor Jahren heiraten und uns auf Plumas niederlassen können.«
    »Vielleicht wäre das besser gewesen«, sagte Cesca, aber sie wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Sie konnte es nicht ernst meinen. Erst jetzt wurde ihr klar, wie sehr sie Jess liebte.
    Sie diskutierten weiter, aber alle möglichen Lösungen des Problems schienen egoistisch und erzwungen zu sein. Jess beharrte auf seinem Standpunkt und wusste, dass er Recht hatte. Welchen Rat hätte Cesca einer anderen Frau in ihrer Situation gegeben? Die Antwort lag auf der Hand, wenn man all die Dinge berücksichtigte, die man sie gelehrt hatte und an die sie glaubte. Vielleicht war sie selbst von ihrem Widerwillen überrascht, den Traum von einem glücklichen Leben mit Jess aufzugeben. Hatte sie sich zu viel erhofft?
    Als die Greifkapsel ans Haupthabitat von Osquivel andockte, sagte Jess: »Du weißt, was du tun musst, Cesca.«
    Als Cesca die Werften besuchte, bewegte sie sich wie eine Person, die nur halb am Leben war. Sie wollte lange genug bleiben, um den Start der neuen Nebelsegler zu beobachten. Anschließend beabsichtigte sie, nach Rendezvous zurückzukehren und ihre Arbeit fortzusetzen. Warum hatte die frühere Sprecherin Okiah nicht eine andere Nachfolgerin gewählt?
    Aber das entsprach gar nicht Cescas Wünschen. Jene, die ein ruhiges Leben führten, träumten manchmal davon, einen wichtigen Posten und Macht zu haben – aber die meisten von ihnen würden gern darauf verzichten, um die alte Ruhe zurückzubekommen. So sehr Cesca auch darunter litt: Sie musste den Preis bezahlen. Ihr Leitstern verlangte es. Ihr blieb keine andere Wahl. Sie musste sich mit der Situation abfinden und persönliche Verluste akzeptieren, worin auch immer sie bestanden.
    Jess ging ihr aus dem Weg und wusste, dass er Cesca bei dieser Sache nicht helfen konnte. Seine unmittelbare Präsenz hätte es ihr nur schwerer gemacht. Es ging um eine rationale, politische Entscheidung, die mit kühlem Kopf getroffen werden musste, nicht mit einem kummervollen Herzen. Ihre Seelen waren eins; daran würde sich nie etwas ändern.
    Jess sah eine Möglichkeit, es Cesca leichter zu machen.
    Del Kellum war überrascht, als der junge Mann am Startdock an ihn herantrat.
    »Ich möchte mit einem der neuen Nebelsegler aufbrechen, Del«, sagte Jess. »Holen Sie einen der Piloten aus dem Cockpit und versprechen Sie ihm einen anderen Segler. Ich muss jetzt sofort los. Wenn ich hier bleibe… Dann ist Cesca abgelenkt und gerät in Versuchung, eine falsche Entscheidung zu treffen.«
    »Dies ist unbesonnen, Jess.« Kellum schien ihn zu verstehen und Jess errötete. Wussten denn alle über Cesca und ihn Bescheid? »Verdammt, wenn Sie da draußen so lange allein sind, kommen Sie ins Grübeln. Zeit kann ein Luxus oder ein Fluch sein, es kommt ganz darauf an.«
    Jess blieb hart. »Ich möchte nicht fort, Del, aber ich kenne Cesca zu gut. Mich jetzt in der Nähe zu wissen… Das ist zu schwer für sie. Viel zu schwer. Ich habe meinen Leitstern gesehen und muss ihm folgen.«
    Kellum seufzte. »Na schön, ich arrangiere alles. Ich schätze, der alte Bram hat seine Sturheit an Sie weitergegeben.«
    Jess verstaute seine Sachen im Habitatmodul und überprüfte die Vorräte an Bord, bevor das Schiff angehoben und dem ellipsenförmigen ballistischen Kokon hinzugefügt wurde, der den zusammengefalteten Mikrofaserfilm enthielt.
    Bevor er Jess im Innern des Moduls einschloss, sagte Kellum: »Soll ich ihr etwas ausrichten? Sie wird den Start beobachten.«
    »Sagen Sie ihr, ich wünschte, unsere Herzen wären unser Leitstern. Aber das sind sie nicht.« Jess schloss die Augen. »Cesca wird tun, was getan werden muss. So hat sie immer gehandelt.«
    Cesca würde an Bord der Ringstation neben Del Kellum stehen und beim Start der neuen Nebelsegler zuschauen – das war ihre Pflicht als Sprecherin.
    Im Innern des gemütlichen Habitatmoduls hörte Jess wie benommen zu, als Checklisten verlesen und

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