Der Sternenwald
Meldungen ausgetauscht wurden. Kurze Zeit später sausten die ballistischen Kokons ins offene All, wie die Sporen eines Pilzes. Ein schneller Flug bis zum Nebel stand Jess bevor; dort würden sich die Segel entfalten.
Weit, weit von Osquivel entfernt.
Er wollte alle Gedanken und Gefühle von sich abstreifen, aber er wusste auch: Er hatte mehr als genug Zeit, um immer und immer wieder über alles nachzudenken.
Noch bevor er sein Ziel im Herzen des Nebels erreichte, wusste Jess, dass Cesca die richtige Entscheidung treffen und Reynalds Heiratsantrag annehmen würde.
44 REYNALD
Mit einem diplomatischen Schiff der Hanse kehrte Sarein nach Theroc zurück – es sank an den hohen Weltbäumen vorbei und landete auf der Raumhafenlichtung. Reynald näherte sich mit schnellen Schritten, glücklich über das Wiedersehen mit seiner Schwester. Er hatte sich die gebräunte Haut mit Spreiznussöl eingerieben, sodass sie eindrucksvoll glänzte.
Sarein umarmte ihn kurz. Sie sah gesund aus und ihr dunkles Haar war kurz geschnitten, nach terranischer Art; die langen Zöpfe, die sie auf Theroc getragen hatte, existierten nicht mehr. Hanse-Parfüms gaben ihr einen exotischen Duft.
»Es scheint dir auf der Erde gut zu gehen.« Reynald zupfte spielerisch am Ärmel ihrer Bluse. »Aber offenbar hast du dich verkleidet. Warum bist du so lange fort gewesen?«
»Ich wollte eher heimkehren, Reynald, aber wenn Kolonisten Not leiden, weil dringend benötigtes Ausrüstungsmaterial nicht geliefert werden kann… Wie soll ich unter solchen Umständen einen Besuch bei meiner Familie rechtfertigen?« Es funkelte in Sareins Augen. »Aber da ich die Botschafterin bin und du der Vater von Theroc sein wirst, habe ich vor, in Zukunft eng mit dir zusammenzuarbeiten.«
»Ich bin auch weiterhin dein Bruder. Nichts hat sich geändert.«
Sarein bedachte Reynald mit einem durchdringenden Blick. »Wenn du Vater Reynald bist, wirst du feststellen, dass sich viele Dinge geändert haben. Ich hoffe, dass sie besser werden.« Sie deutete zum offenen diplomatischen Shuttle. »Ich habe einen Überraschungsgast für deine Krönung mitgebracht. Erinnerst du dich an den Vorsitzenden, Reynald?«
In einen perfekt sitzenden Anzug gekleidet kam Basil Wenzeslas aus dem Shuttle und sah interessiert zu den aufragenden Weltbäumen. Reynald hatte den Vorsitzenden vor sechs Jahren bei seinem Besuch auf der Erde kennen gelernt. »Willkommen. Einen so wichtigen Gast habe ich nicht erwartet.«
Basil lächelte väterlich. »Sie werden zum Oberhaupt einer der wichtigsten Welten im Spiralarm, Reynald. Eine geringere Präsenz der Terranischen Hanse käme einer Beleidigung gleich. So etwas können wir nicht zulassen.«
»Danke, Vorsitzender.« Reynald errötete. »Ich bin noch nicht daran gewöhnt, mit solcher Förmlichkeit behandelt zu werden.« Er ergriff die Hand seiner Schwester. »Komm. Vater und Mutter freuen sich darauf, dich wieder zu sehen.«
Für die Krönung waren die Räume der Pilzriff-Stadt mit mehr Farben und Glanz geschmückt als die prächtigste Chromfliege. Vor kurzer Zeit geschlüpfte und mit Fäden festgebundene Kondorfliegen flatterten an den Fenstern und ihre Flügel glitzerten in allen Farben des Spektrums. Idriss und Alexa hatten sich selbst übertroffen und waren sehr stolz auf das von ihnen vorbereitete Spektakel.
Estarra sah hinreißend aus in ihrem Gewand aus Federn und Mottenschuppen – nie zuvor hatte sie auf Reynald so erwachsen gewirkt. Das geölte Haar der sechzehnjährigen Celli bildete lange Flechten und war so sehr nach hinten gezogen, dass ihr Gesicht einen gequälten Ausdruck bekam. Sie verabscheute solche förmlichen Ereignisse.
Sarein wirkte sehr würdevoll im Botschaftermantel, den sie von der alten Otema erhalten hatte, und sie saß neben dem Vorsitzenden Wenzeslas in der ersten Reihe. Der Abstand zwischen ihnen war gering, so als wären sie nicht nur politische Kollegen, sondern auch gute Freunde. Seltsamerweise blickten sie beide immer wieder zu Estarra und schienen sie einzuschätzen.
Ein gemischtes Publikum von vielen verschiedenen Waldsiedlungen füllte den Raum und draußen die Balkone. Reynald bemerkte die grüne Priesterin Almari, die ihm bei den Spiegelglasseen die Ehe vorgeschlagen hatte. Jetzt, da er zum neuen Vater von Theroc wurde, schien sie noch mehr an ihm interessiert zu sein. Aber er hatte bereits um Cesca Peronis Hand angehalten. Er hoffte, bald eine Antwort von ihr zu bekommen.
Viele Theronen standen auf dem
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