Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
und betrachtete eine Lesetafel. Sie war genauso blass, schlank und großgewachsen wie Newt und trug eine einfache Tunika aus ungebleichter Baumwolle und Hosen aus demselben Material. Ihr langes weißes Haar war aus dem Gesicht zurückgekämmt und wurde auf ihrer rechten Schulter von einer Art lockerem Haarnetz gehalten. Sie legte die Lesetafel beiseite und bat Macy, Platz zu nehmen. Dann fragte sie, ob sie bereits gefrühstückt hatte.
»Ja, Ma’am.«
»Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
Macy bejahte und ließ sich auf dem Kissen gegenüber der alten Frau nieder, während der kleine Roboter klirrend zum Aufzug zurückstakste. Der Raum war klein, aber hell und luftig. Ein Büchergestell stand an einer Wand zwischen zwei
der Fenster, gegenüber von einem Handwebstuhl, in dem ein halbfertiges langes, schweres Stück Stoff hing, das mit roten und schwarzen Streifen gemustert war. Durch die runden Fenster war der grünweiße Garten zu sehen und dahinter das Mosaik aus Feldern, Waldstücken und Wiesen, das sich unter dem hellen Licht der Lüster und dem hohen Dach des Zeltes bis zum Randwald erstreckte.
Abbie Jones sagte, dass sie hoffte, Macy nicht allzu sehr von der Arbeit abzuhalten, und diese erwiderte, dass es nichts gab, was nicht warten konnte.
»Sie fahren hinaus, um ein neues Habitat zum Leben zu erwecken.«
»Ja, Ma’am. Draußen auf der Ebene südlich der Carthage Linea. Eine Robotermannschaft errichtet dort einige neue Habitate.«
»Bitte. Mein Name ist Abbie.«
»Gut.«
»Sie sind jetzt bereits seit einiger Zeit mit der Erweckung von Oasen beschäftigt.«
»Etwa acht Monate.«
»Gefällt Ihnen Ihre Arbeit?«
»Ja, sehr.«
»Das freut mich. Jeder sollte eine Beschäftigung haben, die ihm Spaß macht. Dann ist die Arbeit gar keine Arbeit mehr. Sie wird Teil von uns selbst, von unserem Wesen.«
»Wie ich sehe, weben Sie gern.«
»Das hilft mir beim Entspannen, wenn ich einmal die Nase voll habe vom Regieren. Wir sind eine nichthierarchische Demokratie, in der sämtliche Entscheidungen per Abstimmung getroffen werden. Aber irgendjemand muss dafür sorgen, dass die Entscheidungen auf faire und nachvollziehbare Weise umgesetzt werden. Und sich mit den Alltagsproblemen und Schwierigkeiten befassen, die zu unbedeutend
sind, als dass die kollektive Weisheit der Menschen darüber entscheiden müsste.«
Der kleine Roboter kehrte mit einem Holztablett zurück, auf dem eine Kaffeekanne und ein Milchkrug standen, dazu Zuckerstäbchen, Porzellantassen und Untertassen und ein Teller mit dünnen, honigfarbenen Keksen. Er stellte das Tablett auf dem Boden zwischen den beiden Frauen ab, sein Sensorenband vollführte eine Drehung um hundertachtzig Grad und dann zog er sich zu einem Platz neben dem Büchergestell zurück und ließ sich dort mit einem hydraulischen Seufzen nieder. Abbie Jones goss den Kaffee in die Tassen und fragte Macy, ob sie Sahne und Zucker wollte.
»Schwarz bitte.«
Abbie Jones nahm einen Schluck von dem Kaffee und sah Macy über den Rand ihrer Tasse hinweg an. »Sie haben dagegen gestimmt, ein Bündnis mit Paris einzugehen.«
»So wie die Mehrheit.«
»Glauben Sie, Marisa Bassi hat Ihre Abstimmung als Zeichen dafür genommen, dass Sie ihm nicht helfen wollen?«
»Er kann von mir aus denken, was er will.« Macy hielt inne, dann sagte sie: »Wenn Marisa Bassi weiß, wie ich abgestimmt habe – wenn er es nicht nur errät, sondern sich ganz sicher ist -, dann muss jemand, der bei der Abstimmung dabei war, ihm gesagt haben, dass ich eine schwarze Perle in die Urne gelegt habe.«
Abbie Jones neigte den Kopf und lächelte sanft.
»Ich glaube, ich weiß, wer es gewesen ist«, sagte Macy. »Keine Sorge. Ich werde deswegen keine Schwierigkeiten machen. Es sei denn, Sie wollen es so.«
»Wenn nötig, werde ich die Sache selbst regeln.«
»Woher wissen Sie, dass Marisa Bassi weiß, wie ich abgestimmt habe?«
»Er hat mich angerufen, kurz bevor ich Sie angerufen habe. Er hat verschiedene Argumente ins Feld geführt, warum er glaubt, dass wir einen Fehler machen, indem wir ihn nicht unterstützen. Und er hat gesagt, er wisse, dass Sie sich gegen den Antrag entschieden haben. Er glaubt, Sie könnten einige Mitglieder des Klans mit probrasilianischer Propaganda, wie er es nannte, beeinflusst haben.«
»Ist das der Grund, warum ich hier bin?«
Abbie Jones schüttelte den Kopf. »Ich will Sie nicht beschuldigen. Ich habe Sie hierhergebeten, weil ich denke, dass Sie wissen sollten, was er
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