Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
eingefädelt. Wirklich bewundernswert. Eine Kugel, die drei Ziele gleichzeitig treffen kann.«
»Warum sollten sie dich aus dem Weg räumen wollen?«
»Weil meine Loyalität infrage steht. Weil ich zu viel weiß. Weil ich nicht mehr länger nützlich für sie bin. Und weil ich ihnen alles gegeben habe, was sie benötigen, um ihren Krieg führen zu können, und sie mich nun nicht mehr länger brauchen.«
Sri spie die Worte aus wie bittere Kerne.
»Du hast mit einer Belohnung gerechnet, und stattdessen hast du das Gefühl, dass du bestraft wurdest«, sagte Alder. »Du bist aufgebracht, weil du dich ungerecht behandelt fühlst. Aber es ist nun einmal so, dass gewöhnliche Menschen, die den Reichen und Mächtigen dienen, stets darauf gefasst sein müssen, dass sich die Lage plötzlich ändert. Denn die Reichen und Mächtigen können auf gedankenlose Weise grausam und unberechenbar sein. Sie können nach Belieben in das Leben ihrer Diener eingreifen, ohne weiter darüber nachzudenken. Es ist also möglich, dass du für Euclides und diese Schattenfraktion nur ein Mittelsmann bist. Eine Marionette in dem Spiel, das sie mit Oscar und dem General spielen.«
»Eine Marionette, die sie bereit sind zu opfern.«
»Wenn das Spiel kurz vor seinem Ende steht, kannst du stattdessen vielleicht eine Beförderung herausschlagen.«
»Euclides hat mir gesagt, die Familie will, dass ich hierbleibe. Dass ich nicht nach Hause zurückkehren darf. Wenn
sie zwanzig Jahre meiner Arbeit einfach so abschreiben können, dann können sie sicherlich auch mich selbst abschreiben. Ohne den Hauch eines Bedauerns darüber zu empfinden. Ich kann mich nicht auf Mitgefühl oder Nachsicht verlassen. Nein, wenn ich das Ganze überleben will, muss ich selbst etwas unternehmen. Außerdem ist da noch diese andere Sache.«
Alder verstand sofort. »Avernus.«
Seit dem Fiasko in Rainbow Bridge hatte sich Sri geschworen, dass sie im Falle eines Krieges dafür sorgen wollte, dass sie für ihre Loyalität und harte Arbeit belohnt werden würde, indem sie Zugang zu Avernus und ihren Geheimnissen erhielt. Das war die Belohnung, die allein ihr gehörte. Sie war die Einzige, die dessen würdig war und die es verdient hatte. Der Gedanke, einer ihrer habgierigen, dummen Konkurrenten könnte seine Nase in Avernus’ Arbeit stecken und sich die Geheimnisse der Genzauberin zu eigen machen, erfüllte sie mit einer bitteren, hilflosen Wut.
»Es wäre besser, Avernus zu töten und ihre Arbeit zu vernichten, als zuzulassen, dass irgendein unwürdiger Narr sie ruiniert oder pervertiert.«
Sie gingen durch die heiße, dunkler werdende Dämmerung. Auf den Rasenflächen und langgezogenen Blumenbeeten erwachten Sprinkler zum Leben und spuckten klickend Wasserbögen hoch in die Luft.
Nach einer Weile sagte Alder: »Das ist nicht einer deiner Tests, oder? Du weißt bereits, was du tun willst, und willst, dass ich es herausfinde …«
Inzwischen überragte er Sri um zehn Zentimeter, und obwohl seine Bewegungen immer noch etwas jungenhaft Ungelenkes an sich hatten, konnte sie die Züge des gut aussehenden, eleganten Mannes, der er einmal werden würde, bereits deutlich erkennen. Wie sie war er ganz in Schwarz
gekleidet. Ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln, schwarze Faltenhosen und Stiefel mit spitzen Stahlkappen. Sein honigfarbenes Haar war kurz geschnitten, abgesehen von einer langen Locke an seiner rechten Schläfe, die bis zu seinem hohen Wangenknochen herabhing. Er war nicht mehr länger ein Junge, sondern ein ehrgeiziger junger Mann, der mit den Prozessen von Politik und Macht wohlvertraut war und ebenso mit den Kompromissen und Verhandlungen, die nötig waren, um die Interessen seiner Mutter zu wahren und ihre Forschung zu schützen.
Sri spürte, wie sich Bedauern und Stolz in ihrem Herzen mischten, obwohl sie schon immer gewusst hatte, dass es auf Kosten von Alders Unschuld gehen würde, wenn sie ihn dazu ermunterte, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das war der Preis, den man für die Macht bezahlte, aber das machte es nicht leichter.
»Ich will nicht, dass du irgendetwas herausfindest«, sagte sie. »Ich will dich nicht in Gefahr bringen, und das bedeutet, dass du nicht wissen darfst, was ich vorhabe. Aber ich werde deine Hilfe brauchen. Politik, Intrigen, Schmeicheleien und all diese Dinge – damit kenne ich mich nicht aus. Außerdem bist du genauso in die ganze Sache verwickelt wie ich. Selbst wenn ich das alles überlebe, wird unser Leben hinterher nicht mehr
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