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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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Scheiben des Stadtzeltes verdunkelten sich und ließen nach und nach die schneeweiße Mondlandschaft draußen verschwinden. Dicke, träge Wellen wanderten über den See und brachten das riesige Mosaik der Seerosenflächen in Bewegung. Darüber führten ein halbes Dutzend Flieger eine Art Luftballett auf, flogen dicht über dem See dahin, stiegen unter dem dunklen Himmel und der Scheibe des Saturns auf und wichen einander aus wie Fledermäuse. Die niedrige Schwerkraft machte es den Menschen in den Habitaten und Städten überall auf den Saturnmonden möglich, aus eigener Kraft zu fliegen. Es war ein beliebter Sport; Macy hatte es in der Oase des Jones-Truex-Bakaleinikoff-Klans selbst mehrmals ausprobiert und war
von Plattformen hinuntergesegelt, die weit oben an irgendeiner Stützstrebe des Zeltes befestigt waren. Auf Enceladus, wo die Schwerkraft so gering war, dass die Menschen nicht mehr wogen als Raben oder Krähen auf der Erde, flogen die Leute ständig. Sie trugen Flügelanzüge oder hatten sich, wie manche der Flieger, die über dem Wasser spielten, genetisch verändern lassen, so dass ihnen membranartige Hautfalten wuchsen, die sich von den Handgelenken zu den Fußknöcheln spannten. Außerdem hatten sie ihre Muskelfasern modifiziert und ihr Hämoglobin verbessert, so dass es mehr Sauerstoff transportierte. Sie konnten deshalb stundenlang in der Luft bleiben.
    Newt beendete seine Geschäftsanrufe, schwatzte mit ein paar Freunden und nahm schließlich seine Spex ab und sagte Macy, dass sich ihre geheimnisvollen Kontaktleute verspätet hätten.
    »Es ist noch nicht allzu spät.«
    »Wenn sie nicht auftauchen – wirst du mir dann endlich sagen, worum es bei der ganzen Sache geht?«
    »Sie werden auftauchen.«
    »Wenn ihr fertig seid, gibt es da ein paar Bars, die ich dir gerne zeigen würde. Eine befindet sich unter Wasser, mitten in einem Seetangwald«, sagte Newt. »Man schwimmt in einer Art Luftglocke hinunter und wieder hinauf.«
    »Und wenn man betrunken ist, wie soll man dann zurückschwimmen?«
    »Dort werden nur verschiedene Teesorten serviert. Man trinkt also Tee, knabbert den einen oder anderen Snack und entspannt sich. Beobachtet die Fische durch das Glas.«
    »Klingt lustig. Was ist das?«
    Von irgendeinem Turm in der Nähe war die Stimme eines Mannes zu hören, ein getragener Gesang, der durch die Dunkelheit schwebte, während sich der Abend herabsenkte.

    »Der Ruf zum Gebet«, sagte Newt. »Gibt es denn in Großbrasilien keine Moslems?«
    »Klar gibt es welche. Ich habe nur noch nie einen kennengelernt.«
    Ein Schatten flackerte über die breite Terrasse, als eine Fliegerin in einem grünen Flügelanzug mit ausgebreiteten Armen darüber hinwegglitt, sich von einem Aufwind nach oben tragen ließ und über den See davonflog.
    »Bagdad ist eine sehr spirituelle Stadt«, sagte Newt. »Es gibt Moslems, Christen, Hindus, Juden … In Camelot, Mimas, gibt es einen buddhistischen Tempel. Einige der Leute, die die Dauerhafte Friedensdebatte in Paris organisiert haben, sind ebenfalls Buddhisten.«
    »Zu welcher Glaubensrichtung gehörten noch einmal diese Mönche? Die das Ryokan in der Wand des Didokraters betreiben?«
    Dort war Macy vor sechs Monaten zusammen mit Newt, Pete Bakaleinikoff und Junko und Junpei Asai gewesen. In einem Garten voller Moose und Bambus hatten sie in einem Swimmingpool mit heißem Wasser gebadet, der aus einem Block Meteorstein herausgehauen worden war, hatten Reiswein getrunken und kleine eingelegte Gemüse gegessen, während sie über die Teleskope gesprochen und die öde, kahle Mondlandschaft außerhalb des Zeltes des Ryokan betrachtet hatten.
    »Shinto«, sagte Newt. »Ein paar der Buddhisten sind ebenfalls Anhänger des Shintoismus. Jedenfalls diejenigen, die japanische Wurzeln haben.«
    »Aber keiner aus dem Klan vertritt irgendeine bestimmte Religion, oder?«
    »Wir sind dreckige Rationalisten«, sagte Newt. »Du bist einmal religiös gewesen, nicht wahr?«
    »Irgendwann einmal.«

    »Aber jetzt nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Was ist passiert? Hast du deinen Glauben verloren, als du weggelaufen bist und gesehen hast, was die weite Welt zu bieten hat?«
    »Ich habe meinen Glauben schon verloren, bevor ich weggelaufen bin«, sagte Macy. »Ich glaube, das war überhaupt der Grund, warum ich es getan habe.«
    Die Fliegerin in dem grünen Flügelanzug kehrte zur Terrasse zurück. Sie segelte dicht über der Wasseroberfläche dahin und zog dann im letzten Moment hoch, um am anderen

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