Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

beugte sich über Macy und zog sie am Handgelenk hoch.
    Macy erkannte das Gesicht in dem Fischglashelm, das nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Es war Sada Selene, die Abweichlerin, die ihr bei ihrer Flucht aus East of Eden geholfen hatte.
     
    Die Geister holten Janejean Blanquets Leiche aus dem Schienenfahrzeug und trugen sie mit ernster und ehrfurchtsvoller Sorgfalt hinab. Dann luden sie sie auf die Ladefläche eines ihrer Dreiräder, wendeten und machten sich auf den Weg, wobei sie das gestrandete Schienenfahrzeug rasch hinter sich ließen. Macy fuhr neben Sada in der Mitte der Gruppe. Sie folgten dem Gleis noch ein paar Kilometer in östliche Richtung,
bevor sie sich davon entfernten und einen langen Abhang hinauffuhren, der – übersät mit riesigen, unregelmäßig geformten Vielecken und durch Milliarden Jahre des herabsinkenden Staubes und der Erosion durch Mikrometeoriten geglättet – sanft anstieg und auf eine schmale Lücke zwischen niedrigen, abgerundeten Steilhängen zuführte. Es handelte sich um die Einschlagsnarbe eines Meteoriten, der in steilem Winkel auf den Höhenzug getroffen war. Macy war daran gewöhnt, dass die Mondlandschaft von der KI ihres Druckanzugs grafisch aufbereitet wurde: Landmarken wurden mit Namen versehen, Umrisse nachgezeichnet und tiefe, dunkle Schatten mit Hilfe von Mikrowellenradar ausgeleuchtet. Zudem verfügte die Anzeige über einen Zoom, so dass sie auch ferne Objekte in Nahaufnahme betrachten konnte. Aber die KI in dem Druckanzug, den sie erhalten hatte, war gehackt worden, und ohne ihre Erklärungen sah alles nackt, kahl und feindselig aus. Sie erinnerte sich an eines der alten Kirchenlieder, welche die Mitglieder der Kirche der Göttlichen Regression gesungen hatten, um Gott zu preisen, der seine Geheimnisse in den Landschaften von Pi verborgen hatte. Dieses Lied hatten sie nur zu Weihnachten gesungen. Erde hart wie Eisen, Wasser hart wie Stein.
    Auch das Anzugtelefon war gehackt worden, so dass ihr nur ein Kanal für kurze Distanzen zur Verfügung stand. Während sie dahinrasten, teilte ihr Sada mit, dass alles nach Plan verlief. Als Macy sie fragte, worin dieser Plan bestand, antwortete einer der anderen Geister, dass sie das schon noch bald genug erfahren würde, und mehrere seiner Gefährten lachten. Also wechselte Macy das Thema und fragte Sada, wie sie bei den Geistern gelandet sei. Das Mädchen erklärte ihr, dass sie schon immer ein Physikjunkie und Mathefreak gewesen sei. Ihr Interesse an den Geistern war geweckt worden, als sie auf einige neue Aussagen in der speziellen Relativitätstheorie
gestoßen war, die die Geister auf einer Physikplattform veröffentlicht hatten. Damals hatten sie nach Beweisen für diese Aussagen gesucht. Bei der Arbeit an einer dieser Aussagen war sie auf einen verborgenen Code gestoßen, und als sie diesen geknackt hatte, hatte er ihr einen Codierungsschlüssel geliefert, mit dessen Hilfe sie direkt mit Levi, dem Anführer der Geister, kommunizieren konnte. Den Code zu finden und zu knacken war ein Initiationstest gewesen. Sie hatte ihn bestanden und war in tiefere Geheimnisse eingeweiht worden. Kurz darauf hatte sie damit begonnen, ihre Flucht zu planen. Sie war zu jung gewesen, um East of Eden ohne die Erlaubnis ihrer Eltern zu verlassen. Doch als Macy sie um ihre Hilfe gebeten hatte, hatte sie die Gelegenheit genutzt, um sich ins Saturnsystem mitnehmen zu lassen.
    »Und ich dachte, du hättest mir geholfen, weil wir Freunde waren«, sagte Macy enttäuscht.
    »Das waren wir auch. Sind es immer noch, Macy«, sagte Sada. »Obwohl ich glaube, dass du einen schweren Fehler begangen hast, als du diese Unterhaltung mit Avernus im Netz veröffentlicht hast. Dadurch wurde der Eindruck erweckt, als würdest du aufseiten der Abwiegler stehen.«
    »Ich dachte, ich hätte damit deutlich gemacht, dass ich einen Krieg für unvermeidlich halte«, sagte Macy.
    »Sie haben deutlich gemacht, dass Sie der Meinung sind, dass wir ihn verlieren werden«, sagte jemand anderes.
    »Ich glaube nicht, dass wir gegen eine weit überlegene Streitmacht gewinnen können, wenn es das ist, was Sie meinen.«
    »Wir werden gewinnen«, sagte Sada fröhlich. »Wir werden unsere Feinde zurückdrängen und das Schicksal der Menschheit selbst in die Hand nehmen. Du fährst hier an der Seite von Menschen, die niemals sterben werden.«

    »Steht das etwa in den Sternen geschrieben?«, fragte Macy und bereute ihre Worte augenblicklich.
    Stille summte in ihren