Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
sein würde, und er erwiderte, dass er seine besten Leute auf das Problem angesetzt hätte, aber dass der Feind sehr raffiniert zu Werke ginge.
»Dich kenne ich doch«, sagte in diesem Moment jemand zu Ken Shintaro.
Sein Herz machte einen Satz, und er drehte sich um und sah eine Frau neben sich stehen. Sie war genauso groß wie er, feingliedrig und sehr schlank. Schwarzes Haar hing ihr glatt in die Stirn. Als ihr ruheloser Blick über sein Gesicht wanderte, musste er an die im Sand pickenden Hühner denken, die jemand im Gemeinschaftsgarten des Wohnblocks hielt. Dann jedoch erkannte er die Frau. Sie lebte in seinem Wohnblock, und sie waren bei der Wartung der Lüftungsanlage im selben Team gewesen. Ihr Name war Zi Lei.
Er zwang sich zu lächeln und fragte sie, was es mit dem Amphitheater auf sich hätte. Sie setzte zu einer langen Erklärung der Dauerhaften Friedensdebatte an, wobei sie dicht an ihn herantreten musste, weil von den Reihen der Liegestühle Lärm aufstieg, als die Leute begannen, den Mann auf der Bühne niederzuschreien.
»Schlagt ihr mir doch irgendetwas Sinnvolles vor!«, schrie der Mann zurück. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand er da und drehte sich langsam im Kreis, während sein Gesicht vom Gleißen der Scheinwerfer angestrahlt wurde. »Irgendetwas Sinnvolles, das wir tun können! Aber ihr wisst es ja selbst nicht besser!«
»Er ist wütend, weil er ihre Herzen nicht gewinnen kann«, sagte Zi Lei. »Wut ist schlecht. Wie schwarze Luft.«
Ken Shintaro fragte Zi Lei, was das Ganze zu bedeuten hatte. Es interessierte ihn, weil es Marisa Bassi offensichtlich interessierte. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand der Bürgermeister da und sah zu, wie sich der Mann und das Publikum gegenseitig anschrien. Nach einer Weile sagte Bassi etwas zu der groß gewachsenen Frau neben sich, worauf diese den Kopf in den Nacken legte und laut lachte.
Zi Lei erzählte Ken Shintaro etwas über den Gemeinschaftsgeist, wobei ein Großteil ihrer Worte im Gebrüll des Publikums unterging. Der Mann im Scheinwerferlicht hob resigniert die Hände, verließ die Bühne und setzte sich. In diesem Moment stürzte Zi Lei vor und sprang auf die Bühne. Ken Shintaro fragte sich, ob er ihr folgen sollte. Aber nein. Er blieb, wo er war, und beobachtete, wie die Hohnrufe und Schreie der Menge sich langsam legten. Eine winzige Drohne kam nach unten geschwebt und verstärkte Zi Leis Stimme. Sie sagte, dass es zu viele schlechte Schwingungen im Theater gäbe und man erst fortfahren könne, wenn diese beseitigt seien. Jemand wollte protestieren, aber mehrere junge Männer und Frauen in der Nähe der Bühne erhoben sich und baten um Ruhe.
Zi Lei stand in den sich kreuzenden Strahlen des Scheinwerferlichts still da. Ihre schmale Brust unter ihrer schwarzen Weste hob sich, als sie tief Luft holte. Dann legte sie die Hände an die Kehle und ließ eine Art pulsierendes Summen ertönen, das wie ohmmmmmmm-ohmmmmmm klang. Bei jedem oh holte sie Luft, und das Summen setzte sich mechanisch fort. Nun stimmten auch Teile des Publikums in das Summen mit ein – ein gewaltiger Klangmotor, der über zwei Minuten fortbestand, bevor die Leute zu klatschen begannen. Zi Lei hörte augenblicklich auf, verneigte sich und stieg von der Bühne. Sie ging an Ken Shintaro vorbei, ohne ihn anzuschauen.
Er folgte ihr nach draußen, neugierig und aufgeregt. Er hatte zwar nicht verstanden, was sich zugetragen hatte, aber er hatte das Gefühl, dass es etwas Bedeutsames gewesen war. Etwas, über das er in seiner Ausbildung nichts erfahren hatte. Eine eigene Entdeckung. Als er Zi Lei einholte und sie fragte, was das Summen zu bedeuten hatte, holte sie ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus einem Beutel an ihrer Hüfte hervor und drückte es ihm gegen die Brust. Als er es entgegennahm, eilte sie in drei ausgreifenden Schritten über den Platz davon und verschwand zwischen den Ständen des grünen Marktes.
Das Blatt Papier war auf beiden Seiten dicht bedruckt. Es gab viele Ausrufezeichen. Manche Wörter waren mit Großbuchstaben oder in roter oder gelber Tinte geschrieben. Er las den Text mehrmals, ohne jedoch zu verstehen, worum es dabei ging. Angeblich gab es kluge Außerirdische, die die Menschheit beobachteten, sich jedoch von der Disharmonie in den allgemeinen Schwingungen, die das Sonnensystem erfüllten, abgestoßen fühlten. Wenn diese Schwingungen in Einklang gebracht werden konnten, würden sich die Außerirdischen, die die Edda genannt
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