Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
versteckt«, sagte der Mann in der Tür. »Wenn sich herausstellen sollte, dass Sie doch wissen, wo sie ist, kommen wir wieder und holen Sie ebenfalls ab.«
»Wenn Sie irgendetwas in Erfahrung bringen sollten, lassen Sie es mich wissen«, sagte Al Wilson schwach. Aufgrund seines Alters war er der Anführer dieser kleinen Gang, aber es war klar, dass der Mann in der Tür seinen Platz einnehmen würde, sollte es Probleme geben.
»Und hier geht es wirklich um Zis Sicherheit?«, fragte Ken Shintaro.
»Es geht um die Sicherheit der ganzen verdammten Stadt«, sagte der Mann in der Tür.
Al Wilson winkte mit der Hand. »Lasst uns gehen, Leute. Wir haben noch viel zu tun.«
Alle gingen hinaus, und Wilson, der das Zimmer als Letzter verließ, schloss die Tür hinter sich. Ken Shintaro suchte
sorgfältig seine Wohnung ab, um sicherzugehen, dass niemand irgendwo eine Wanze versteckt hatte. Dann sah er im Netz nach und stellte fest, dass das Kriegsrecht erklärt worden war. Marisa Bassi würde um acht Uhr eine Rede halten, und die Dauerhafte Friedensdebatte war aufgelöst worden. Der Krieg hatte also noch nicht begonnen. Es handelte sich lediglich um ein örtliches Problem, eine weitere Verschärfung des Kriegsfiebers, das in der Stadt herrschte. Und Zi Lei hatte irgendetwas damit zu tun.
Sie ging nicht an den Apparat, als er sie anrief. Er würde also sämtliche Orte absuchen müssen, die sie ihm in der Stadt gezeigt hatte, angefangen bei der Dauerhaften Friedensdebatte. Er würde sie finden und ihr helfen. Er räumte sein Zimmer auf und nahm eine Dusche, erst heiß, dann kalt. Als er sich anzog, erhielt er einen Anruf von Keiko Sasaki. Sie fragte ihn, ob er Zi Lei gesehen hätte, und er sagte ihr, dass ein paar Leute auf der Suche nach ihr in seine Wohnung gekommen waren.
»Sie glauben, dass sie Teil der Friedensbewegung ist«, sagte Keiko Sasaki.
»Nun, das ist sie doch auch«, sagte er und erinnerte sich daran, wie Zi Lei auf der Bühne des Amphitheaters gestanden und das summende Geräusch von sich gegeben hatte, während das Publikum im Theater in das Summen mit eingestimmt war. Er wollte das Gespräch gern so schnell wie möglich beenden, weil er das Haus verlassen und sich selbst umschauen wollte, aber er wusste nicht, wie er das am besten anstellen konnte, ohne sich verdächtig zu machen.
»Ich habe einen Antrag gestellt, dass der Haftbefehl gegen sie aufgehoben wird«, sagte Keiko Sasaki. »Allerdings wird es eine Weile dauern, weil beinahe für alle, die verhaftet wurden, ebensolche Anträge eingegangen sind. Wenn du ihr begegnest, Ken, wenn sie zu dir kommen sollte, um dich um
Hilfe zu bitten, könntest du dann dafür sorgen, dass sie nicht in Schwierigkeiten gerät? Versteck sie in deinem Zimmer oder an einem anderen sicheren Ort und sag mir sofort Bescheid. Benachrichtige mich, wenn du sie siehst. Wirst du das tun?«
»Ja«, sagte er, weil ihm das die einfachste Antwort zu sein schien. »Ich muss jetzt los«, fügte er hinzu und unterbrach die Verbindung.
Er ging an dem Amphitheater vorbei, in dem die Dauerhafte Friedensdebatte stattgefunden hatte. Sämtliche Eingänge wurden von Friedensoffizieren und Wächtern mit roten Armbinden bewacht. In dem Café, in dem Zi Lei und er oft zusammen gefrühstückt hatten, warnte ihn der Mann, der ihm seinen Zimthaferbrei und den Kaffeebecher brachte, dass er vorsichtig sein sollte. Überall in der Stadt würden Menschen verhaftet.
»Wird ja auch Zeit«, sagte ein Gast.
»Wir leben in einer Demokratie«, erwiderte ein anderer. »Wir sollten Leute nicht verhaften, nur weil sie mit uns nicht einer Meinung sind.«
Das gab den Anstoß zu einer der lauten Debatten, welche die Bürger von Paris so sehr liebten – jeder hatte eine andere Meinung, und alle versuchten, sich gegenseitig zu übertönen. Inmitten des Lärms aß Ken Shintaro schweigend sein Frühstück. Die Gäste stritten immer noch miteinander, als er das Café verließ.
Er schlenderte quer durch die Stadt und suchte all die Orte auf, an denen er zusammen mit Zi Lei gewesen war. Die grünen Märkte in der Nachbarschaft wurden von Leuten belagert, die sich mit frischen Nahrungsmitteln eindecken wollten. Viele kleine Geschäfte waren geschlossen. Die Cafés und Bars, die offen waren, waren von Menschen überfüllt. Befreit von der alltäglichen Routine, herrschte eine
karnevaleske Stimmung in der Stadt. Kinder verfolgten einander durch die Kletterpflanzen und die breiten Äste eines großen Feigenbaums in
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