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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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hätten. Er zeigte ihnen Videoaufnahmen der Mannschaft von Agenten, wie sie auf der stark gewölbten Oberfläche des winzigen Mondes Ymir zu Werke
gingen. Mit Hilfe einer Kette von Explosionen wurde ein ovales Stück Eis abgetrennt. Menschliche Gestalten in Druckanzügen beförderten einen Fusionsantrieb in eine von Scheinwerfern erhellte Ausschachtung und verlegten den Strang einer Schienenkanone über eine löchrige Schräge, die sich scharfkantig von der nackten Sternenlandschaft abhob. Dann sah man den Eisbrocken, wie er auf dem langen Speer einer chemischen Flamme dahinritt, während an beiden Seiten große Segel glänzten. Er wirkte wie eine dichte Dreiergruppe von Sternen, während er auf Phoebe zuflog.
    Jubelrufe und Schreie ertönten, und ein gewaltiges Getöse stieg zum hohen Zeltdach auf, als fünf weiß gekleidete Männer und Frauen zu Marisa Bassi auf die Bühne traten: Die Helden, die den Eisbrocken auf den Weg gebracht hatten. Der Spion stand ganz hinten in der Menge und wurde von den dicht gedrängten Leibern um ihn herum hin und her geschoben. Dennoch hatte er das Gefühl, er sei der einzige echte Mensch in einer phantastischen Szenerie. In seiner Nähe stieß eine Frau wilde Schreie aus, die nur von Gefühlen getragen wurden und keinerlei Sinn ergaben. Ein junger Mann und eine ältere Frau küssten sich leidenschaftlich. Ein Mann sagte zu einem anderen, dass die Stadt dem Wahnsinn verfallen sei, und ein dritter beugte sich dicht zu ihm heran und schrie ihm zu, dass er ein Verräter sei. Es kam zu einem Handgemenge, bis die beiden Männer voneinander getrennt wurden, wobei sie einander immer noch anschrien. Währenddessen sprach Marisa Bassi weiter, und die Menge jubelte und grölte.
     
    Niemand wollte nach Hause zurückkehren, nachdem die Kundgebung beendet war. Die öffentlichen Plätze waren voller streitender, lachender und zechender Menschen. Mengen strömten aus Bars und Cafés. Ein Quartett Trommler
füllte einen Park mit seinen Rhythmen, während Dutzende Menschen um sie herumtanzten und hoch in die Luft sprangen. Ein Kreis jubelnder und klatschender Leute versammelte sich um ein Pärchen, das öffentlich kopulierte. Die Wächter an den Kontrollpunkten ließen Flaschen und Pfeifen kreisen oder nahmen Drinks und Geschenke von den Passanten entgegen.
    Der Spion erfasste all dies mit kühlem, rationalem Blick, als sei es Teil einer Ausstellung, in der sämtliche Formen menschlicher Lasterhaftigkeit und Dummheit dargestellt werden sollten. Er befand sich in einem Zustand äußerster Erregung. Er näherte sich dem Höhepunkt seines Lebens. Seit seiner Geburt war er auf diesen Augenblick vorbereitet worden. Genau dafür war er geschaffen worden. Und nun geschah es tatsächlich. Er würde nicht versagen, weil er sich das nicht erlauben konnte. Während er durch die in Aufruhr befindliche Stadt schlenderte, spürte er seine Brüder hinter sich. Er erzitterte, vom Rausch geheimen Wissens erfüllt.
    An einem Kontrollpunkt wurde er angehalten, weil einer der Wächter ihn erkannte und darauf bestand, dass er ihm mitteilte, wo er gewesen war. Der Mann war betrunken oder bekifft, und ein anderer Wächter richtete trunken seine Pistole auf die Passanten und brüllte vor Lachen, wenn sie zurückschraken oder entrüstete Schreie ausstießen. Der Spion erklärte, dass er bei der Kundgebung gewesen sei und nun wie alle anderen nicht schlafen konnte. Der Wächter nickte und sagte, dass sich eigentlich alle ausruhen sollten, weil bald der Krieg beginnen würde, doch dass aus ebendiesem Grund niemand Ruhe finden konnte. Der Spion lächelte angesichts dieser lahmen Erklärung und war beinahe enttäuscht, dass der Wächter ihn nicht gefragt hatte, was er vor der Kundgebung getan hatte. Sabotage betrieben , hätte der Spion geantwortet, und dann hätte er den Wächter umgebracht
und dem Betrunkenen die Pistole abgenommen. Er hätte auch ihn umgebracht und alle anderen Leute in Reichweite, und dann hätte er einfach weiter getötet, bis irgendwer ihn zur Strecke gebracht hätte.
    Der Wächter zwang ihn, einen Schluck von einer Flasche zu nehmen, die herumgereicht wurde, und sagte ihm dann, dass er verschwinden solle. Der Spion gehorchte, und als er außer Sichtweite war, spuckte er den Alkohol in ein Blumenbeet und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Er trug immer noch die Maske, aber er konnte spüren, wie sie sich langsam in sein eigenes Gesicht verwandelte. Sein Lächeln war nicht mehr länger das vage,

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