Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
nicht erwarten, dass Euclides Peixoto uns hilft. Ich nehme also an, wir werden so tun müssen, als würden wir Loc Ifrahim vertrauen.«
Sri umarmte ihren geliebten klugen Jungen und küsste ihn auf die Stirn. »Solange er glaubt, dass wir ihm vertrauen, haben wir ihn in der Hand.«
»Aber möglicherweise ist es gar nicht Speller Twain, der es auf uns abgesehen hat«, sagte Alder, »sondern Mr. Ifrahim selbst. Und wenn er für den General arbeitet …«
»Nein«, sagte Sri. »Arvam braucht mich. Deswegen hat er mich bei dem Begräbnis so unverblümt gewarnt. Wenn Mr. Ifrahim die Wahrheit sagt und ich tatsächlich das Ziel dieses Mordanschlags bin, dann muss jemand anderes als Arvam dahinterstecken.«
»Dennoch ist es sicher ratsam, wenn du Mr. Ifrahim in der nächsten Zeit nicht zu nahe an dich heranlässt.«
»Der Attentäter – wenn es denn tatsächlich einen gibt – wird jetzt noch nicht zuschlagen. Es wird an einem öffentlichen
Ort geschehen, wo die Wirkung am größten ist.«
»Bei der Eröffnungszeremonie.«
»Genau. In der Zwischenzeit tun wir so, als sei nichts geschehen. Ruf deine Aufzeichnungen auf, und dann kannst du mir sagen, mit wem ich mich morgen treffen werde.«
› 11
Sri hatte bereits eine nervtötende Begrüßungszeremonie hinter sich gebracht – schlechte Reden voller uninspirierter Plattitüden, eine ermüdende Vorstellungsrunde, langweilige Gespräche mit noch langweiligeren Würdenträgern. Doch es kam noch schlimmer. An dem Tag nach ihrem Treffen mit Loc Ifrahim begannen die Führungen und Zusammenkünfte erst richtig.
Die Sitzungen, in denen die Unterhändler der Familie Peixoto die Vorteile einer Handelsbeziehung und Einzelheiten möglicher Abkommen darlegten, nahmen Stunden ihrer kostbaren Zeit in Anspruch, aber zumindest waren sie auf eine anspruchslose Weise unterhaltsam, die zuweilen an eine Zirkusvorstellung erinnerte. Im Gegensatz zu den Regierungskomitees und Familienkonferenzen in Großbrasilien wurden die Präsentationen und Diskussionen nicht nur von den Senatoren der Stadt und den außerhalb gelegenen Siedlungen besucht, sondern darüber hinaus von allen Bürgern, die genügend Interesse oder Neugier aufbrachten. Außerdem schien es kaum so etwas wie eine Sitzungs- oder Diskussionsordnung zu geben. Jeder konnte jederzeit alles, was ihm beliebte, zu jedermann sagen. Es gab keine irgendwie geartete Hierarchie. Man konnte einen Streit ebenso durch Logik gewinnen wie dadurch, dass man sich weigerte, klein beizugeben, und eine Menge Zeit wurde damit verschwendet, sich über besondere Interessen zu streiten oder alten Beschwerden Luft zu machen, die mit dem aktuellen Gesprächsthema nicht das Geringste zu tun hatten. Einmal hielt ein alter Glatzkopf, der eine russische Gemeinschaft auf der anderen
Seite von Kallisto vertrat, zwei Stunden lang eine Dauerrede, um dadurch zu erzwingen, dass in das Schriftstück, das Gegenstand der Diskussion war, einige Bedingungen aufgenommen wurden, die für seine Familie günstig wären. Und als er endlich das Feld räumte, begann ein anderer damit, eine Liste sinnloser Fragen vorzulesen, was den Rest der Sitzung einnahm, die schließlich in völligem Chaos endete.
Sri trug die ganze Zeit über ihre Spex und zeichnete seelenruhig alles auf. Während dieser Zusammenkünfte würde nichts Wichtiges beschlossen werden, es konnte den Interessen der Fraktion für Frieden und Versöhnung also nicht schaden, wenn Arvam Peixoto darin eingeweiht wurde. Die abgebrühten Unterhändler der Familie würden später in privaten Sitzungen die Einzelheiten der Abkommen ausarbeiten. Aus dem, was sie bisher gesehen hatte, schloss Sri, dass die Unterhändler den bedauernswerten Außenweltlern rhetorisch weit überlegen waren, und die Außenweltler hatten ihrerseits aus ihrem Interesse an dem neuen Fusionsantrieb nie ein Geheimnis gemacht. Bis jetzt sah es so aus, als ob sich Oscar Finnegan Ramos’ längerfristiger Plan, die Finanzmittel für angewandte Naturwissenschaft aufzustocken, gegen den einige Familienmitglieder, die ihn für eine Ressourcenverschwendung hielten, erbittert Sturm gelaufen waren, auszahlen würde.
Die endlosen Führungen zeichnete sie ebenfalls auf. Die Bewohner Kallistos waren maßlos stolz auf Rainbow Bridge und schienen erpicht darauf, ihren hochrangigen Besuchern jede Ecke und jeden Winkel davon zu zeigen. Natürlich gab es eine Führung durch das Biom und die unterirdischen Landwirtschaftstunnel und Gärten, wo die Abfälle der
Weitere Kostenlose Bücher