Der stille Ozean
blickte zu den Haustauben auf, die auf den Dächern saßen. »Zum Abschluß schießen wir immer die Tauben herunter. Es sieht aus, als schneie es Federn.« Er nahm Tabletten aus der Tasche, ging zum Brunnen und schluckte eine, indem er Wasser aus der hohlen Hand nachtrank. Sie waren so langsam gegangen, daß nun schon die Jäger vom gegenüberliegenden Hügel in Scharen auf den Hof zukamen. Sie waren laut und achteten nicht darauf, was jemand bei ihrem Anblick denken mochte. Als sie in Hörweite des Hofes waren, rief einer: »U-ru-ku«, und die anderen schrien ebenfalls und holten die Gewehre herunter. Es war Abend. Ascher blickte jetzt über die Hügelkuppe in die Ferne. Merkwürdige Wolken hatten sich auf dem Horizont gebildet: Ein schwarzes Rauchgebilde über einem Berggipfel sah aus wie ein friedlicher Vulkanausbruch. Über seinem Kopf bemerkte er, als er zu den Tauben aufschaute, zerfaserte, dünne, weiße Wolkenflecke auf dem Himmel wie Eisblumen auf Glas. Die Jäger waren in den Hof gekommen, und der Bauer kletterte mit einigen von ihnen auf die Tenne.
»Solange sie nicht fliegen, schießen wir nicht. Erst wenn sie in der Luft sind, holen wir sie herunter«, sagte der Alte. Er hatte den Kopf zurückgelehnt wie beim Rasieren. Ascher sah die zwei Kinder des Bauern in der Haustür stehen, der alte Bauer spähte unbewegt durch die Scheibe eines Küchenfensters.
»Die Tenne ist weiß von Taubenkot«, sagte einer der Jäger, der mit auf die Tenne gestiegen war. »Wenn er herunterkommt, fangen wir an. Geben Sie acht«, sagte der Alte. Er nahm sein Gewehr von der Schulter und schaute zum Himmel. Ein Jäger war mit einem Stock zum Taubenkotter gegangen und hatte gegen die Bretterwand geschlagen, und ein großer Schwärm Tauben flog mit Flügelknattern auf und machte einen Bogen um das Haus, aber bevor er sich noch auf dem Dach niederlassen konnte, fielen Schüsse. Erschrocken kreisten die Tauben weiter, Federbüschel lösten sich in der Luft auf, tote Tauben plumpsten auf die Erde, der Schwärm wagte es jedoch nicht, sich niederzulassen. Kaum hatte es eine einzelne versucht, als die Schüsse sie wieder aufscheuchten, in der Luft zerrissen und zu Boden holten. Der Alte stand steif da, drehte sich wie eine mechanische Figur, das Gewehr unbeweglich nach oben gerichtet, um seine Achse und schoß, sobald der Schwarm nahe genug war. Dann lud er ruhig nach. Die Jäger ließen sich Zeit. Bedächtig griffen sie in den Patronengurt, luden die Gewehre nach und schossen in den fliehenden Schwarm. Niemand machte eine rasche Bewegung. Ascher sah zu den beiden Kindern im Hausflur hin, deren Gesichter unverändert ernst und ruhig waren. Mit offenen Mündern schauten sie zu, der alte Bauer und die Bäuerin standen jetzt hinter ihnen und lächelten stumm über das Treiben. Kaum hockte der Schwärm auf dem Stall, wurde er durch Steinwürfe und Geschrei aufgetrieben, er versuchte sich auf das Hausdach zu retten, auf das Tennendach, auf das Dach der Gerätekammer, aber er kam nicht zur Ruhe. Sofort flogen Steine, lärmten die Jäger, so daß die Tauben in die Luft flohen, in der sie von Schrotladungen getroffen wurden, die sie mit Blut bekleckert zur Erde holten. Immer wieder bückten sich die Jäger, hoben Tauben auf, oder sie streckten sich und griffen sie, ohne sie sehen zu können, tastend aus Dachrinnen und hielten sie gebündelt mit zerrauftem weißbraunen und weißgrauen Federkleid in der Hand wie umgedrehte Blumensträuße. Hatten sie genügend eingesammelt, dann legten sie sie zur Strecke, die der Bauer aufgeschichtet hatte und abzählte. Schließlich erschien die Bäuerin mit einem Mostkrug, und in Kürze war es still, einige tote Tauben wurden mit Stangen von Dächern geholt, ein Jäger kletterte auf einen Zwetschgenbaum und warf die Vögel, die sich im Gezweig verfangen hatten, hinunter. Ascher stand unter den schwatzenden und rauchenden Jägern vor der Strecke, in der neben dem Fuchs auch ein von einem Hund gerissenes Reh lag. Klein und mager lag es da. Als er den Jagdleiter sah, fragte er ihn nach dem Fuchs. Der Jagdleiter runzelte die Stirn, dann sagte er: »Achthundert.«
»Er kommt mir klein vor.«
»Klein? Sie finden ihn klein?«
»Ja.«
»Gut. Sechshundert, obwohl er nicht klein ist. Sechshundert ist mein letztes Angebot. Wenn wir die Tollwut haben, müssen wir sie abgeben. Dann steigen die Preise.« Ascher zählte die Scheine und drückte sie ihm in die Hand.
»Sie werden zufrieden sein. Sechshundert ist ein
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