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Der stille Ozean

Der stille Ozean

Titel: Der stille Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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worauf er einige Drehungen machte, bis der Lederriemen sich tief in die Halskrause geschnitten hatte und der Fasan – sich langsam ausdrehend – wieder in eine Schaukelbewegung geriet, die ihn dann abermals gegen das Knie stoßen ließ. Der dicke Ledergurt mit den messingfarbenen Hülsen der Schrotpatronen gab ihm etwas Behäbiges und Unerbittliches. Er drehte und wendete den toten Hasen und zeigte ihnen die Einschußlöcher. Der junge Jäger sagte nichts, sondern ließ den anderen sprechen, und je mehr dieser sprach, desto zurückhaltender war er. Manchmal verzog er den Mund und zuckte mit den Schultern.
    »Das mit den Hinterläufen war ich«, sagte er, als sie wieder allein waren. »Der Hase hat einen Haken gemacht und ich habe ihn in die Hinterläufe getroffen …« Dabei rieb er aus Ärger seine Wange am Hemdkragen. Auch richtete er das umgehängte Gewehr mehrmals gerade. »Gehen wir«, sagte er dann.
    Sie gingen schweigend eine Wiese mit Obstbäumen bergauf zu einem Bauernhof.
    Die Jäger hatten dort die Gewehre auf die Traktoranhänger oder auf Zweige der Obstbäume oder die halb geöffnete Stalltüre gehängt und hockten auf einem Haufen roter Hohlziegel, die am Viehstall aufgestapelt waren. Ascher bemerkte zwei gefleckte Katzen, die auf dem Stapel schlichen, um sich vor den Hunden und Menschen in Sicherheit zu bringen. Neben der Strecke hatte der Lebensmittelhändler den Lieferwagen geparkt. Einer der Hasen war von den Hunden so zerrissen worden, daß sein Fleisch in Löchern und Rissen unter dem Fell hervorschaute, die Gedärme waren aus dem aufgerissenen Bauch gequollen, und aus einem der Hinterläufe ragte der Knochen heraus. Später wurden Glaskrüge mit Wein gefüllt und herumgereicht, vom Bauernhaus wurde Most in einem grünen Tonkrug gebracht. Ascher stand in der warmen Sonne, bis die Jäger wieder aufbrachen. Er folgte ihnen in einem Abstand, denn er hatte noch zugesehen, wie der Lebensmittelhändler die Strecke eingesammelt und im Laderaum verstaut hatte. Zuerst kam er am Bauernhaus, vor dem auf großen Packpapieren Kürbiskerne zum Trocknen auflagen, vorbei, dann wanderte er eine Wiese zwischen Äckern und dem Waldrand hinunter.
    Der Himmel war jetzt weißblau. Er blickte in den Graben, bis zu dem die Jäger Aufstellung genommen hatten. Die Gewehrkolben stützten sie auf das vorgestellte Knie. Eine Fasanenhenne segelte aus dem Dickicht hoch über dem Graben und den Ackern auf den gegenüberliegenden Hügel zu, dann tauchte ein Fasanenhahn zwischen den Baumkronen auf, sofort fielen Schüsse, und der Fasan stürzte zu Boden. Der Jäger hob ihn auf, während die Flügel noch flatterten, und Ascher sah, daß der Mann den Kopf in der Hand hielt, so daß der Schnabel aus der geschlossenen Faust schaute und der flügelschlagende Körper herunterhing. Federn flogen durch die Luft, aber der Jäger ließ den Vogel noch zappeln, bevor er ihn, den Waldrand nicht aus den Augen lassend, in das Gras legte, wo er mit langsamen Schlägen zwischen seinen Stiefeln weiterzappelte. Ascher konnte die helle Innenseite der Flügel sehen. Er ging näher heran, hörte jedoch keinen Laut bis auf das Knattern und Rascheln der Federn. Der Jäger schaute Ascher fragend an, dann zeigte er ihm eine blutige Hand.
    »Das waren die Krallen«, sagte der Jäger. »Sehen Sie, hier sind sie eingedrungen, an dieser Stelle haben sie sich durchgebohrt.« Er hatte ein Taschentuch herausgeholt und warf wieder einen Blick auf den Waldrand. Als er das Taschentuch wegnahm, rann Blut aus dem Handballen. In diesem Augenblick erschien der Fuchs. Ascher hatte seinen Blick von der Hand abgewandt und sah ihn aus dem Unterholz auftauchen. Er brach zwischen den Blättern hervor, zögerte, machte zwei Sätze, um zu fliehen, wurde aber mitten im Sprung von einem Schuß getroffen, der ihn sich überschlagen ließ. Der Jäger, der ihn getroffen hatte, war grauhaarig, mittelgroß und hatte ein blasses faltiges Gesicht. Er ging ohne Hast zum Fuchs hin und tat, als hörte er die Zurufe der Jäger und Treiber nicht, die neugierig aus dem Wald kamen, bückte sich und packte ihn beim Schwanz. Es war ein noch junger Fuchs. Sein Fell leuchtete rot, der Bauch und die Schnauze waren weiß, auf den Läufen und Ohren hatte er schwarze Flecken. Seine Zunge hing aus dem Maul wie eine große Himbeere.
    Die anderen Jäger und Treiber waren nun gekommen und schauten den Kopf an und den Schwanz und gingen dann in den Graben hinunter. Ascher folgte dem Jäger, der den Fuchs

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