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Der stille Ozean

Der stille Ozean

Titel: Der stille Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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den ganzen Tag, dazwischen sei sie nur das Vieh füttern und essen gegangen. Ascher fragte sie, ob sie rauche.
    Nein, aber ihr Cousin, gab sie zur Antwort. »Komm herunter!« rief sie ihm zu. Der Bursche warf einen Blick auf Aschers ausgestreckte Hand mit den Zigaretten und arbeitete weiter. »Gleich«, sagte er. Nachdem er genügend Äpfel in den Behälter geschaufelt hatte, kletterte er herunter, wischte seine Hände an der Hose ab und griff mit dem Daumen und dem Zeigefinger nach einer Zigarette. »Sie können die Zigaretten behalten«, sagte Ascher. Der Bursche blickte ihn mißtrauisch an. »Sie können sie haben. Ich rauche nicht.« Der Bursche zuckte mit den Schultern und steckte sie ein. »Dann sage ich danke«, antwortete er. Die Frau hatte inzwischen den Hebel weitergeschoben, die beiden jedoch nicht aus den Augen gelassen, um vom Gespräch nichts zu versäumen.
    »Das ist wohl keine angenehme Arbeit«, sagte Ascher. »Es geht … was soll ich machen?« gab die Frau zurück. Sie lachte. Dabei kehrte sie ihm gerade den Rücken zu. »Langweilig ist es«, fügte sie hinzu.
    Unterwegs kam ihm später ein Mann in einem grauen Mantel entgegen, der eine gefleckte Kuh vor sich hertrieb. Unten im Tal sah er eine weiße Fläche mit Häusern, das war Haslach.
     

15
     
    Als er zwei Tage später mit Zeiner nach Eibiswald fuhr, lag der Schnee noch immer auf den Feldern. Der Wald war auf der Schattenseite weiß, an der Sonnenseite sah er das Dunkelgrün der Tannen und die nackten Zweige. Auch die Maiskegel waren an der Sonnenseite gelbbraun. Zuerst hatte Zeiner sein Gewehr zur Reparatur abgegeben, denn es stimmte, so vermutete er, etwas mit der Einstellung des Zielfernrohres nicht. Er habe, sagte er, gezielt wie immer, jedoch eine Rehgeiß verfehlt. Daraufhin habe er beim Jagdleiter im Hof auf Scheiben geschossen – mit demselben Ergebnis. Nun wollte er das Gewehr überprüfen und, wenn es notwendig sein sollte, reparieren lassen. Ascher wartete in der Zwischenzeit im Ort, ging am Ufer der Saggau entlang und betrachtete die Eisdecke über dem Wasser. Sie war an den Rändern weiß und mit Schnee bedeckt, wurde dann grau und schließlich, bevor sie sich zur Bachmitte hin auflöste, gelb von den durchschimmernden Steinen. Große Luftblasen hatten sich unter ihr ausgebreitet, manchmal wurde eine von der Strömung weggeschwemmt. In der Mitte des Baches floß schwarzbraunes, glucksendes Wasser. Er kam zu einer Brücke und blieb stehen. Zwei Männer schaufelten Schnee aus einem Traktoranhänger in den Bach, und Kinder bewarfen sich mit Schneebällen. Wenn sie glaubten, daß niemand sie beobachtete, aßen sie den Schnee. Ein Stück weiter war die Eisdecke so dünn, daß Ascher darunter Schwärme von kleinen Fischen sah. Auf der anderen Straßenseite war ein Sägewerk mit unverputzten Wänden, zerbrochenen Fensterscheiben und aufgestapelten Brettern und Baumstämmen. Ein Zwergenmensch mit einer Pullmankappe stand vor einer verrosteten Maschine und spähte in sie hinein. Vögel zwitscherten in den verschneiten Sträuchern, und als Ascher wieder zum Wasser hinunterschaute, sah er einen Eisvogel am Rand sitzen und die Fische beobachten. »Hat es lange gedauert?« fragte Zeiner. Als nächstes fuhren sie nach Maltschach zum Bestatter, da die beiden Frauen Zeiner gebeten hatten, für sie die Rechnung zu bezahlen, die für das Begräbnis des alten Mannes fällig geworden war. Zeiner wollte auch noch Dichtungen kaufen, da der Wasserhahn tropfte, zum Maschinenhändler wollte er, um nachzusehen, ob die Egge, die er im letzten Frühjahr beschädigt hatte, repariert worden war, und schließlich wollte er sich im Gasthaus die Haare schneiden lassen. Dort verkehrte ein Mann, der in der Kriegsgefangenschaft das Haarschneiden gelernt hatte. Das war, so gab Zeiner an, billiger, und außerdem konnte er »etwas trinken«, bis er an die Reihe war. Auf Stadeln in den weiten Feldern sah Ascher einige Male das Wahlplakat mit dem großen Gesicht des Landeshauptmannes. Durch die Feuchtigkeit und den Wind waren die Plakate schon beschädigt, eines hing herunter, so daß er nur eine Gesichtshälfte sah. Der Himmel war grau und hatte goldene Wellen. Zeiner bog von der Hauptstraße ab. Der Hof des Bestatters bestand aus mehreren großen Gebäuden. Linker Hand eine Mühle mit einer Zustellrampe, auf der Säcke lagen. Hinter der Verladerampe ein Lebensmittelgeschäft mit einer bunt verklebten Auslagenscheibe. Durch das Glas sah man eine dicke Frau in einem

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