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Der stille Ozean

Der stille Ozean

Titel: Der stille Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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den traurigen Spitalsgarten, in dem die Kranken in Anstaltspyjamas und Schlafröcken herumspaziert waren. Er hatte vom Fenster seines Arbeitszimmers des öfteren zugeschaut, wie sie langsam und ziellos die Rasenstücke umrundet, sich auf Bänken niedergelassen und unterhalten hatten.
    Der Bestatter hatte inzwischen auf das Gerümpel unter den Arkaden gewiesen, um Ascher einzuladen, vorauszugehen. Als sie nähergetreten waren, sah Ascher Kaffeemühlen, Pappendeckelfiguren, Filmvorführapparate, Sonnenuhren, Vogelkäfige und Werkzeuge, die ohne Ordnung aufgeschichtet waren. Alles in allem, erklärte der Bestatter, besitze er 40000 Gegenstände. Er zeigte mit ausgestrecktem Finger auf einzelne Dinge und stammelte, ohne Artikel oder beifügende Worte zu verwenden, Erklärungen, die immer kürzer ausfielen, ineinander übergingen und schließlich von der nächsten Erklärung überlagert wurden, zu der Ascher noch nicht den entsprechenden Gegenstand ausgemacht hatte. Über einer Tür hing eine große silberne Taschenuhrattrappe mit der Beschriftung: »Erstes Steirisches Uhrenmuseum.« Im Hof erblickte Ascher einen grünen Holzbrunnen, auf dem ein Vogel aus Blech befestigt war. Als sie das Restaurationszimmer in einem hinteren Trakt des Gebäudes betraten, war auch dieses vollgestopft mit Kerzenleuchtern, Kirchengemälden, die der Bestatter, wie er behauptete, selbst restauriert hatte, einem alten Röntgenapparat, Klavieren, Beichtstühlen und Spiegeln. Man habe die Gegenstände, erklärte er sinngemäß, zu ihm gebracht, damit er sie restaurieren möge. Er sei bekannt dafür, daß er, da er Kunstgeschichte studiert habe und sich eines »gewissen Geschicks« rühmen dürfe, auch schwierige, oft aussichtslos scheinende Fälle wiederherstellen könne. »Sie können sich denken, daß das nicht einfach ist«, schloß er. In dem Raum herrschte ein übler Geruch, so daß Ascher nur wenig atmete, während der Bestatter die Luft laut mit offenem Mund einsog. Durch die staubigen Glasscheiben der Tür blickte Ascher auf das Sonnenlicht, das in den Hof fiel. Ein Arbeiter legte eine Motorsäge auf den Anhänger eines Traktors, ein anderer kam mit einer Seilwinde. Während der Bestatter einen Vortrag über Kirchenbilder und tragbare Beichtstühle hielt, wandte Ascher seine Aufmerksamkeit den Arbeitern zu. Ein bunter Gummiball flog, auf dem Boden aufspringend, aus dem Lebensmittelgeschäft und rollte unter die aufgeschichteten Gegenstände. Ascher hatte gehört, daß die Arbeiter des Bestatters Taubstumme oder freigelassene Pfleglinge der Anstalt Feldhof waren, tatsächlich war kein Laut zu hören, als einer von ihnen den Ball aufhob und ihn einem Kind im Trainingsanzug, das aus dem Geschäft gelaufen war, zurückgab. Der Bestatter, so schien es Ascher, beeilte sich nun so, daß er beim Sprechen zu stenographieren schien.
    »Ich habe nicht viel Zeit«, sagte er, als er den Raum verließ und auf das Haus zueilte. Wieder gingen sie durch den Vorraum in ein Stiegenhaus, wo er neuerlich zu sprechen begann. Dabei setzte er ein Polyphon in Gang, indem er eine Metallplatte in den Automaten steckte und einen Hebel betätigte. Im Stiegenhaus lagen in Regalen und auf Haufen geworfen: verschiedene Hobel, Schuster- und Schneidewerkzeuge; Sägen, Bohrer, Zangen, Hämmer, veterinärische Instrumente, Kaffeeröster, Bergwerksgerät, Imkerwerkzeuge und Raucherutensilien in verschiedenen Formen und aus den verschiedenen Jahrhunderten.
    Als Bestatter, führte er aus, sei er selbstverständlich in jedes Haus gekommen und habe dort »Altertümer«, wie er sich ausdrückte, durch den Unverstand der Menschen verkommen sehen. Er habe sie gerettet. Vieles, was Ascher hier sehen könne, habe er vor dem Verfall bewahrt. Angefangen habe er nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals habe es keinen Wert von Gegenständen gegeben, da die meisten Menschen mit dem Überleben beschäftigt gewesen seien. Dadurch sei er oft für einen Laib Brot, Schweineschmalz oder ein Kilogramm Kartoffeln zu seinen schönsten Stücken gekommen. Einige Male habe er auf Bauernhöfen ein Hammerklavier oder Hochrad, die auf der Tenne verstaubt seien, für einen geringfügigen Geldbetrag bekommen, den er noch dazu von seiner Rechnung für eine Bestattung habe abziehen können. Heutzutage seien die Menschen mißtrauisch. Komme er mit seinem »eleganten, schwarzen Wagen« und interessiere sich für irgend etwas, glaubten sie, er wolle sie betrügen. Er fahre schon seit einiger Zeit nicht mehr in der

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