Der stille Ozean
zumindest aber unter einer falschen Adresse eintragen können, aber es hatte ihn schon gestört, daß er nicht seinen wirklichen Beruf hatte angeben können. Was würden sich Zeiner und die anderen, denen er sich als Biologe vorgestellt hatte, denken, wenn sie erfuhren, wer er wirklich war, und daß er ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte? Als er dem Bestatter durch einen Gang folgte, der mit Dampfmaschinen, kinematografischen Apparaten, Kruzifixen, Orden, Speiseplankästen und Hinterglasbildern angefüllt war, hörte er vom Hof ein Motorengeräusch und sah gleich darauf durch das Fenster den Bäcker mit dem Lieferwagen vor dem Geschäft stehen bleiben. Er schleppte einen großen Plastiksack mit Semmeln über die Stufe der Verladerampe und stieß die Glastür mit der Schulter auf. Der Bestatter, der den Bäcker nicht beachtet hatte, blieb plötzlich stehen und sagte, er habe öfters mit der Kriminalpolizei zu tun. Man schicke ihm Fahndungsblätter von gestohlenen und verhehlten Gegenständen und warne ihn vor Schwindlern, Kunsträubern, Dieben und falschen Antiquitätenhändlern. »Ich arbeite schon lange mit der Kriminalpolizei zusammen«, ergänzte er. Dann rief er: »Weiter, weiter!« und führte Ascher zu mehreren drehbaren Glasstürzen, in denen die verschiedensten Uhren aufgehängt waren, vom Nürnberger Ei, wie er behauptete, bis zu Uhren, deren Zifferblätter unter Vergrößerungsgläsern lagen, alten Datumsuhren, Uhren mit sich drehenden bildlichen Darstellungen, mit Ketten aus Damenhaar, Taschensonnenuhren, die er so rasch aufzählte und erklärte, daß Ascher nicht verstand, welche der Bezeichnungen zu welcher Uhr gehörte. Dabei drehte er den Glassturz, daß die Uhren klimperten und schaukelten, und während er noch über die Uhren redete, hatte er begonnen, Musikinstrumente in die Hand zu nehmen und sie herzuzeigen: Blasinstrumente, Zithern, Ziehharmoniken, Harfen und Geigen in allen Größen, die er zum Teil mit Preiszetteln ausgestattet hatte, welche er verschämt herunternahm, wobei er darauf hinwies, daß er sie entfernen müsse, ansonsten würde ihm, im Falle, daß ihm ein Musikinstrument gestohlen würde, mit Sicherheit das wertvollste entwendet werden. Und als Ascher noch das eine oder andere Musikinstrument betrachtete, war der Bestatter vorausgeeilt und hatte seinen Kopf zwischen Damenhüten, Grammophonen und Glasschränken, in denen Münzen lagen, zu Ascher durchgesteckt und ihn gerufen. Aschers Blick fiel wieder auf den Hof, in den er gerade Zeiner einbiegen sah. Er verabschiedete sich, erklärte, daß Zeiner, der ihn mit seinem Auto gefahren habe, zurückgekommen sei, und daß er noch Wege zu erledigen hätte, dann verließ er den Bestatter, der ihm mit einem Schlüsselbund in der Hand nachlief und die Türen abschloß. Von einem Hügel hinter der Mühle fuhren Kinder Schlitten.
»Da sind Sie ja«, sagte Zeiner und öffnete von innen die Tür. »Hat er Ihnen seine Präparate gezeigt? Nein?«
»Sie sind gerade gekommen, als er sie mir zeigen wollte.« »Wenn es Sie interessiert, können Sie dableiben und ich hole Sie später ab.« Er meinte es aber nicht so, wie er es sagte, sondern fuhr weiter. Ascher hatte außerdem keine Lust umzukehren.
Sie fuhren zwischen weiten, weißen Flächen, aus denen die Erde in schwarzen Wellen heraussah. Manchmal fielen Ascher größere oder kleinere Felder mit hellbraunen, vertrockneten Maisstengeln auf, die über den Winter verwitterten, oder braune Wiesenstücke. Vor dem Gasthaus war ein Traktor abgestellt, an dem ein hölzerner Käfig auf Rädern hing.
Die Türen zu den Gasträumen waren versperrt, in der Küche sah Ascher eine schwarz gekleidete Frau mit großen Blechhäfen am Herd hantieren. Zeiner setzte sich an einen Tisch, bestellte ein Bier und erkundigte sich nach dem Haarschneider.
»Er muß jeden Augenblick kommen«, antwortete die Frau und warf einen abschätzenden Blick auf Ascher. »Vor Ihnen ist nur der Oberst an der Reihe.« Der Oberst war ein schlanker, weißhaariger Mann, der die Burschen an den Tischen bediente. Er hatte ein noch junges Gesicht und trug einen schwarz und rot karierten Rock.
»Das ist der pensionierte Gendarmerieoberst«, erklärte Zeiner. »Er ist mit der Frau verwandt.«
In einer Ecke des Raumes war eine amerikanische Küche eingebaut, auf der ein alter Fernsehapparat stand, und das Fenster führte auf einen Wiesenhang hinaus, der nur einen kleinen Ausschnitt der Straße freigab. Ascher hörte den Burschen am
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