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Der stille Ozean

Der stille Ozean

Titel: Der stille Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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einer seiner Söhne sie übernommen.« Im Kaufhaus, das dunkel war und in dem Lebensmittel, Werkzeuge und Geschirr dicht gedrängt in den Regalen lagen, telefonierte Ascher mit seiner Frau. Er erkundigte sich nach seinem Kind, und seine Frau beschwichtigte seine Unruhe. »Ich finde mich schon ohne dich zurecht«, sagte sie. Natürlich vermisse sie ihn, aber sie habe begonnen, sich wieder auf ein selbständiges Leben einzustellen. Ascher hatte den Eindruck, daß es ihr auch Spaß machte. Er war froh darüber. Wenn es ihr gutging, fühlte er sich weniger schuldig.
    Während die Witwe einkaufte, fuhr der Bäcker mit dem Auto in den Hof hinter dem Kaufhaus. Dort stand unter einem Scheunendach eine gelb und grün gestrichene Tankstelle, die lediglich aus zwei Zapfsäulen bestand. Auf einer Seite des Hofes türmten sich bunte Limonadenkisten aus Plastik, vor denen Arbeiter saßen, Bierflaschen zwischen den Knien hielten und miteinander redeten. »Wie geht es?« sprachen sie sich gegenseitig an, wenn ein Neuer hinzutrat. Ascher stieg aus, setzte sich auf eine umgedrehte Bierkiste und wartete, bis der Bäcker getankt hatte. Ein Baum stand im abendlichen Winterhimmel. Von der Tankstelle her roch er das Benzin. Der Bäcker ließ sich Frostschutzmittel in das Wasser für die Scheibenwaschanlage füllen, »damit ich keine Probleme habe, wenn es kalt wird«, sagte er.
    Als sie zum Hof der Witwe zurückkamen, drängten sich die kleinen Schweine ängstlich im Stall. Die Witwe schien erleichtert. »Sie werden sich schon an mich gewöhnen«, sagte sie.
     

16
     
    Zu Hause dachte Ascher darüber nach, was die Witwe und ihr Sohn ihm erzählt hatten. Er sah den Feuerschein aus dem Herd an der Decke leuchten. Beim Einschlafen fühlte er die Kälte der Matratze, und als er in der Nacht erwachte, schmerzten ihn seine Gelenke, dann kam es ihm vor, daß jemand um das Haus ging, aber es blieb still, nur in der Ferne bellte ein Hund.
    Am Morgen schien die Sonne durch die vielen kleinen Fenster, die als viereckige, gelbe Lichtflecke auf den Herd, die Tür und die Wände fielen. Er stand auf und schaute durch die nackte Krone des Nußbaumes, hinter der die Sonne groß und golden über eine weiße und braune und blaue Landschaft ohne Menschen leuchtete. Da er weder einen Mantel noch Schuhe angezogen hatte, ging er bald fröstelnd in das Haus zurück … Zuerst heizte er mit Papier und Holzspänen ein, als es brannte, legte er größere Scheite nach. Im Zimmer war es lichter geworden, die Lichtflecke der Fenster verblaßten auf den Wänden, und draußen sang ein Vogel. Nachdem er sich angekleidet hatte, holte er Wasser vom Brunnen. Der Pumphebel war eiskalt und das Wasser nicht sauber. Im Graben unten erstreckten sich die halbverschneiten Äcker, Heuhaufen standen noch im Schnee, dazwischen lag das helle Braun der Wiesen. In diesem Augenblick bemerkte er die Jäger. Sie kamen die Straße herunter, die Gewehre über der Schulter, einige mit Hunden an der Leine. Er war sicher, daß sie ihn gesehen hatten. Der Hund des Nachbarn lief ihnen entgegen und bellte sie an, und Ascher hörte, wie nach ihm gerufen wurde. Dann sah er den jungen Nachbarn im grünen Rock mit seinem Vater, der ebenfalls für die Jagd gekleidet war. Die Jäger versammelten sich, eine Wolke warf dunkle Schatten über sie. Inzwischen rief die Bäuerin noch immer den Hund. Sie packte ihn am Halsband und zog ihn in den Kuhstall, in den sie ihn einsperrte. Die Jäger warteten nicht lange im Hof, sie brachen rasch auf und gingen über die Wiese zum Waldrand. Ascher kletterte in sein Dachbodenzimmer und kam mit einem Fernglas zurück. Von der Küche aus hatte er einen guten Überblick. Er stützte sich mit den Ellenbogen auf die Fensterbank, um nicht zu stark zu zittern, und suchte den Waldrand ab. Die Jäger hatten sich mit den Gewehren im Graben aufgestellt. An einem Baum, unter dem einer von ihnen stand, entdeckte er mit dem Fernglas gelbe Äpfel. Auch der Jäger mußte sie bemerkt haben, denn er schüttelte an den Zweigen, daß sie hinunterfielen und in den Graben kollerten. Eine Zeitlang blieb es ruhig. Die Jäger schienen sich zu langweilen, riefen sich etwas zu oder hockten unbeweglich auf den einbeinigen, zusammenklappbaren Sitzen. Dann hörte Ascher Tiro-Rufe, die Vögel ankündigten, und sofort rissen die Jäger die Gewehre hoch, Schüsse fielen und ein Nußhäher stürzte zu Boden. Ascher hörte ihn noch kreischen, aber gleich darauf war ein Hund zur Stelle und hatte ihn ins

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