Der stille Ozean
gelegt. »Ihr Fuß sieht besser aus«, sagte Ascher. Er richtete sich auf, das Kind stand noch immer mit dem Taubenei da und blickte auf den Fuß des Mannes.
25
Im Haus entschloß sich Ascher, mit der Frau und dem Kind in die Stadt zu fahren. Weihnachten war nahe, und Ascher hatte ohnedies in den nächsten Tagen zurück wollen. »Hast du dir schon überlegt, was du machen willst?« hatte ihn Therese gefragt.
Sie hatte sich auf die Eckbank gesetzt, und Ascher stand in der Küche. Das Kind, das ihrem Gespräch nicht folgte, lief hinaus, als es den Specht wieder klopfen hörte. »Nein«, hatte Ascher geantwortet. »Ich verstehe dich«, sagte seine Frau.
»Wir könnten ein Haus mieten, in dem wir wohnen könnten und in dem ich Platz für meine Arbeit habe.« »Weißt du, ob ein Arzt gebraucht wird?« fragte seine Frau nach einer Weile. »Ich habe es gesehen.« Wieder schwiegen sie.
»Wir könnten es beide versuchen«, sagte Ascher. »Und das Kind?«
»Der Schulbus hält vor dem Kaufhaus. Wir müssen es nur bis dorthin bringen.«
Therese dachte nach. Ascher betrachtete ihr Gesicht, es nahm einen angestrengten Ausdruck an, wenn sie nachdachte.
»Wenn du dir selbst im klaren bist, werden wir schon einen Weg finden«, sagte sie dann.
Als Ascher zwei Wochen später wiederkam, war der erste Weg zum Doktor gewesen, der in einem alten Schulhaus wohnte. »Mit der Schule ist es wie mit den Häusern«, hatte er gesagt, »sie waren für etwas anderes gedacht. Sind Ihnen die großen Küchen aufgefallen? Damals gab es genügend Knechte und Mägde, die sich in der Küche aufhielten. Jetzt sind die Menschen mit der Familie und den Maschinen allein. Dafür würden sie bessere Schlafräume für die Kinder benötigen, die Küche könnte kleiner sein. Übrigens, man hat mich öfters nach Ihnen gefragt«, sagte er. Als Ascher antwortete, daß er den Eindruck habe, man trage ihm nichts nach, sagte der Arzt: »Sehen Sie, Sie wohnen mit jeder Art von Menschen zusammen. Ist jemand vorbestraft, so kehrt er nach Hause zurück, wohnt mit den anderen unter einem Dach. Die ihn früher gekannt haben, lassen sich nichts anmerken. Wird er für eine Arbeit gebraucht, ist man froh, daß er behilflich ist. Auch bei einem Geisteskranken achten sie nur darauf, daß er seine Arbeit tut, ansonsten kann er unter ihnen leben. Natürlich sind sie oft derb, haben ihren Spaß an der Wertlosigkeit und am sonderbaren Verhalten, manchmal lassen sie sich auch zu Roheiten hinreißen, aber sie leben mit ihnen zusammen.«
26
Er war mit dem Autobus auf das Land zurückgefahren. Unterwegs hielten sie an einer Tankstelle, die blau und weiß beleuchtet war. Er beachtete sonst Tankstellen kaum, auch wenn seine Frau angehalten hatte, waren sie ihm immer selbstverständlich erschienen. Es war noch hell, aber die vorbeirasenden Autos hatten ihre Beleuchtung schon eingeschaltet. Plötzlich aus der Stadt kommend, die schneelos war, waren nun weite Äcker und Wiesen von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, in denen vereinzelt dunkle, laublose Bäume standen. Sie fuhren weiter, und alsbald sah er den Nebel über der Ebene, wie weißes Gas. Manchmal ragten die Spitzen der Baumkronen über ihn hinweg, dann wieder riß der Nebel plötzlich ab, um kurz darauf auf der Erde zu liegen, wie über einem morgendlichen Gewässer. Ascher hatte seine Instrumente und eine kleine Apotheke mit der Bahn vorausgeschickt, Zeiner hatte versprochen, sie abzuholen und zum Haus zu führen. Vereinzelt sah er noch, als er wieder zum Busfenster hinausblickte, Plakate von der Landtagswahl an Gebäuden, einmal auf einer umgestürzten Tafel. Es war, als hätte ein Sportfest oder eine Zirkusveranstaltung stattgefunden, und nun waren die Akteure weitergezogen und hatten ihre Spuren hinterlassen, die niemand zu beseitigen gedachte, da sie gleichgültig geworden waren. Als der Postautobus vor dem Gasthaus hielt, war Zeiner nicht gekommen. Ascher nahm sein Gepäck, wartete und ging dann über den Platz zum Doktor.
27
Er hatte den Doktor beim Wegfahren angetroffen, und da er ihm angeboten hatte, ihn zu seinem Haus mitzunehmen, war er eingestiegen …
Im Vorraum seines Hauses waren die Pakete, die er mit der Bahnpost geschickt hatte, gelegen, in der Küche war der Ofen eingeheizt gewesen, und kurze Zeit später war Golobitsch gekommen, um nachzuheizen und ihn zu benachrichtigen, daß Zeiners Auto sich nicht habe starten lassen, man habe jedoch im Gasthaus in Gleinstätten
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