Der stille Ozean
frischgebackenen Brotes. »Kosten Sie«, sagte der Alte und schnitt ein Stück herunter. Die Frau brachte Schweinefett und Salz und blieb stehen. »Wir haben Sie noch nie gesehen«, sagte sie. »Er ist ein Doktor«, erklärte Zeiner.
Ascher trank und hörte zu. Die Tochter und deren Mann wären nicht zu Hause, sie seien Schuhe kaufen gefahren nach Pölfing Brunn, die Enkelkinder in der Schule. Er konnte dem Gespräch nur mühsam folgen. Nach einiger Zeit erhob sich Zeiner. Er nahm das Gewehr von einem Nagel an der Wand, hängte es um und ging zu seinem Auto.
»Mir scheint, wir sind betrunken«, sagte er lachend. Die Alten lachten ebenfalls. Auch Ascher mußte lachen, als er einstieg. Zeiner legte das Gewehr auf den Rücksitz, der Hund sprang in das Auto, und sie fuhren langsam zum Kaufhaus.
21
Es war dunkel, als seine Frau mit dem Kind kam. Das Kind lief neugierig im Haus herum, lärmte und lachte. Es war jedoch schnell müde, und Ascher brachte es zu Bett und wartete, bis es eingeschlafen war.
Er hörte seinen Atem und dachte an das Lachen zurück, das das Haus verändert hatte. »Was willst du machen?« fragte seine Frau. »Ich weiß nicht. Vielleicht bleibe ich hier.«
»Und das Kind?« fragte sie. Es müsse zur Schule gehen. Auch glaube sie nicht, daß sie selbst für das Landleben geeignet sei. Sie habe sich mit ihrer Arbeit zurechtgefunden, nun bereite ihr die Beschäftigung Vergnügen. Ascher schwieg.
»Ich mache dir keine Vorwürfe«, fuhr seine Frau fort, »aber ich kann mich nicht wieder verändern, noch dazu, wo du nicht einmal weißt, was du wirklich willst. Was ist, wenn du es dir überlegst?«
Das war wahr. Er hatte keinen Plan. Wo würde er arbeiten?
»Du hast recht«, sagte er. »Wir müssen es uns erst überlegen.«
Er wußte nicht genau, wie die Menschen hier sich ihm gegenüber verhalten würden. Sie hatten ihn zwar nichts merken lassen, aber er war auch nicht auf sie angewiesen gewesen. Vielleicht würden sie sich, wenn er auf sie angewiesen wäre, anders verhalten. Seltsamerweise verspürte er bei diesem Gedanken keine Angst. Etwas sagte ihm, daß seine Sorge unbegründet war, er konnte es nicht beweisen. »Ich dachte die ganze Zeit über an so etwas Ähnliches«, sagte seine Frau. »Ich habe mich auch gefragt, was ich dir antworten sollte. Ich kann nicht nur immer tun, was du für richtig hältst. Du mußt auch an mein Leben denken, wenn du eine Entscheidung triffst.«
Sie hatte ihm ohne Vorhaltungen geholfen, als er sie gebraucht hatte. Daß sie arbeiten gehen mußte, hatte sie ihm nie vorgeworfen, nun verlangte er, daß sie ihm folgte. Er war sich jetzt nicht mehr sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, zu bleiben.
»Es war nur ein Einfall«, sagte er. »Reden wir nicht mehr darüber.«
22
In der Früh war das Kind erwacht, als ein Specht am Holz des Hauses geklopft hatte. Im Glauben, jemand wolle eintreten, hatte es Ascher geweckt. Da Aschers Frau noch schlief, hatten sie sich angekleidet und waren ins Freie gegangen. Sie hatten über die Hügel geschaut, aber das Kind interessierte sich nicht für das Weite, sondern nur für das Nahe. Es schaute nicht in die Gräben und in die Luft, sondern auf den Boden und in die Zweige der Bäume. Als Krähen aufgeflogen waren, beachtete es sie, weil sie ganz in der Nähe aufgeflogen waren, und an den kleinen Bäumen fiel ihm sogleich auf, daß sie mit einem Nylonüberzug und Packpapier umwickelt waren. Das mußte Golobitsch als Schutz vor der Kälte in den letzten Tagen gemacht haben. Sie traten in das Haus zurück, denn Katherina wollte das Zimmer sehen, in dem er schlief. Dort stellte sie sogleich fest, daß der Tisch wackelte und Wasser aus einem Glas schwappte (welches er dort stehen gelassen hatte), denn der Bretterboden war biegsam und gab mit jedem Schritt nach. Natürlich hatte er es auch selbst bemerkt, aber er war automatisch vorsichtiger aufgetreten. Und jetzt erst, vom Fenster aus, fielen ihr die Nebel in den Gräben auf, die dalagen wie ein Wolkenmeer. Während er auf die Nebel blickte und sie sprechen hörte, war ihm, als befände er sich auf einem hohen Berg. Er schenkte ihr einen gelben Bleistift, den sie sogleich einsteckte und vergaß. Seine Frau war inzwischen wach geworden und hatte sich angekleidet. Ascher füllte den Herd mit Holz und wartete, bis das Feuer brannte. Therese wollte ihm helfen und auch das Kind, aber Ascher hatte Freude empfunden, daß er für sie sorgen konnte. Da das Kind bei ihnen
Weitere Kostenlose Bücher