Der stille Ozean
Natürlich könne man ein altes Haus herrichten, die alten Häuser seien jedoch klein. Man wohne beengt in ihnen. Sie hätten aber viele Kinder, die es im Winter warm haben wollten und hell, und für die genug Wasser da sein müsse, damit sie sich waschen könnten, denn sie verrichteten jeden Tag körperliche Arbeit oder liefen draußen herum. Auch sei es nicht angenehm, bei großer Kälte ins Freie auf das Klosett zu gehen oder Schüsseln und Kübel zu verwenden, die bis zum Morgen im Zimmer stehenblieben, denn niemand wolle bei Nacht die Toilette aufsuchen. Auch wenn man bis zum Abend heize, so sei es in der Früh doch immer eiskalt, und die Kinder würden vom Herbst bis zum Frühling mit den Zähnen klappern und stöhnen, wenn sie aufstünden. Dann gebe es Probleme mit den elektrischen Leitungen, die nicht für so schwere Belastungen, wie sie heutzutage ein Haushalt erfordere, gedacht seien. Wenn man schließlich alles umbauen wolle, müsse man auch bedenken, daß währenddessen die Arbeit und das Leben auf dem Hof weitergingen, so daß es gescheiter sei, ein neues Haus zu bauen und bis zur Fertigstellung im alten zu wohnen. »Wir haben vom alten Zeug genug«, schloß sie. »Trotzdem ist es traurig«, sagte Aschers Frau. »Traurig? Was ist traurig?« fragte die Bäuerin. »Warum sollen wir das Haus stehen lassen? An was soll es uns erinnern? Worauf sollen wir stolz sein? Wenn einer ein Großbauer ist oder sehr genügsam oder so alt, daß es sich nicht mehr für ihn auszahlt, ist es etwas anderes. Aber wir? Vielleicht, daß wir, wenn wir ein neues Haus haben, an das alte zurückdenken. Aber dann müssen wir ja nicht mehr darin wohnen.«
24
Zuletzt suchten sie den alten Mann auf, der sich beim Kürbishacken verletzt hatte. Hinter dem verfallenen Haus begegnete er ihnen in zerrissenen Kleidern mit seinem verbogenen Hut. Sie gingen bergab über die braune Wiese, die Äste von Obstbäumen stießen über ihren Köpfen zusammen. Ascher dachte, daß der Weg im Sommer wie ein grüner Tunnel aussehen müsse. Der Mann blieb stehen und erklärte umständlich, daß er sich eine Straße wünsche, aber der Besitzer, durch dessen Land sie führen würde, wolle es nicht. Das war so umständlich vorgebracht, und der Mann hielt auch immer wieder an und machte lange Pausen, daß Ascher den Eindruck hatte, der Mann wolle ihn loswerden. Als sie beim Haus angekommen waren, sprang eine Katze durch eine geöffnete Rauchluke ins Freie. Katherina machte seine Mutter darauf aufmerksam. Nun richtete sich der Mann an sie. Er sagte, er wohne in diesem Haus, weil es die »Heimat« seiner Frau sei. Er wolle lieber zu seinem Bruder nach Welsberg, dort habe er es schöner. Ascher erklärte es. Die Bauern bezeichneten das Elternhaus als »Heimat«, dadurch wisse jeder sofort, was gemeint sei. Währenddessen kam die Alte heraus. Auch was sie sprach, mußte Ascher übersetzen. Sofort wollte sie dem Kind ihren Hund zeigen. Sie ließ ihn die Vorderpfote geben und Männchen machen und zeigte dann das Schwein, indem sie eine Klappe im Stall öffnete. Durch die Luke konnten sie es auf Heu liegen sehen.
»Brauchen Sie einen Schirm?« fragte die Frau. Sie habe einen zu verkaufen. Oder eine Handtasche? – Sie ging voran in das Haus, der Mann blieb im Freien. Im Vorraum gackerten die Hühner von den Kästen, die Küche war dunkel. Ascher sah kleine magere Katzen, die verfloht und verwurmt waren, eine Kredenz, über und über bedeckt mit Flaschen, Häfen und Dosen, eine angeräumte Kommode mit einem Puppenkopf und Läden mit gemahlenem Maismehl. Die Frau zog die Lade, in der sie die Eier sammelte, heraus. Sie befand sich unter der mit Geschirr gefüllten Abwasch. Verschieden große Eier lagen in ihr.
»Das sind Taubeneier und Hühnereier«, sagte die Frau. Ascher übersetzte es dem Kind, das hierauf die Taubeneier sehen wollte. Die Frau gab ihm eines und sagte: »Taubenei.«
Inzwischen hatte sich die Frau an Therese gewandt, um zu erzählen, woher die Tasche und der Schirm stammten. In St. Georgen sei eine ältere Frau gestorben, die sie gekannt habe. Sie sei sie anschauen gegangen, und die Verwandten hätten ihr die beiden Schirme und die Handtasche gegeben. Sie besitze aber schon einen Schirm und habe auch eine Handtasche, darum wolle sie sie verkaufen.
Der Mann schlurfte herein, und während die Frauen die Eier einpackten, ließ sich Ascher den Fuß zeigen. Der Mann hatte den Verband schon heruntergenommen und einen Leinenfleck über die Wunde
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